COLUMBIA LIBRARIES OFFSITE HEALTH SCIENCES STANDARD HX64134130 RC905 .Se5 Die Albuminurie im g RECAP ^ \.LBUMINURIE im gesunden und kranken Zustande. Von Dr. II. Seiititor, .iiisscronleiill. Prolcsisor der Mcdiciii, diiigiieiKlcm Arzl an ilcm Kmii^l. Charitc-Krankcnhaiisc und dem Augiista-Hosiiital zu Berlin. * Mit einer lithogr. Tafel. COLUMBIA UNIVERSITY DEPARTMENT OF PHYSLOLOny College of Physicians and Surgeons 437 WEST Firrv NINTH STREET NEW YOUK Berlin 1882. Verlag von August Hirschwald. U\V, Unter dcu Liudcu 68. ^^^0^ SeS intiieCttpüflfttigork College tti l^fjpöicianö anb ^urgeonjf Hibrarp Digitized by the Internet Archive in 2010 witii funding from Open Knowledge Commons http://www.archive.org/details/diealbuminurieimOOsena Die ALBUMINURIE im gesunclen und kranken Zustande. Von Dr. H. Senator, ausserordeutl. Professor der Medicin. dirigirendeni Arzt an dem Küiiigl. Charite-Krankeiihause und dem Augiista-Hospital zu Berlin. Mit einer lithoor. Tafel. Berlin 1882. Verlag von August Hirschwald. NW. Unter den Linden CS. Alle Rechte vorbehalten. Herrn Rudolf ViroliOAv zur Feier seines sechzigsten Geburtstages und seiner fünfundzwanzigjäiirigen Lehrthätigkeit an der Friedrich-Wilhelms-Üniversität gewidmet. Hochverelirter Herr! Indem ich mich zu der grossen Zahl Derjenigen geselle, welche in diesen Tagen dankerfüllten Sinnes und Glück wünschend Ihnen nahen, möchte ich, soweit es in meinen Kräften steht, Zeugniss davon geben, wie auch die practische Medicin in Ihnen ihren bahnbrechenden Lehrer und Meister verehrt und dass die Heilkunde im engeren Sinne nicht zurücksteht im Dank und in der Anerkennung der uner- messlicheii Dienste, welche sie nicht weniger, als die theoretische Medicin Ihnen schuldet. Es bedarf meiner Feder nicht, diese Dienste der Mitwelt in's Gedächtniss zu rufen und vor Vergessenheit in der Nachwelt zu schützen; so lange es eine Geschichte der Medicin geben wird, wird sie von dem mächtigen, Epoche machenden Anstoss be- richten, welchen alle Zweige dieser Wissenschaft durch Sie erfahren haben. Nur E' les soll hervorgehoben werden, was in der überreichen Fülle der Verdienste, deren Erinnerung uns jetzt so lebendig vor die Seele tritt, wenn nicht vergessen, so doch vielleicht zu wenig gewürdigt werden möchte. Als vor etwa drei Jahrzehnten ein neues Wachsthum der medicinischen Wissenschaften begann, nicht zum Wenigsten unter dem gewaltigen Einfluss Ihrer Arbeiten, als frische Zweige kräftig empor- schössen an dem alten, sich wieder verjüngenden Baum der Medicin und nur ein Zweig, wohl der älteste, der selten wahre Blüthen treibt, aber dann köstliche, von der ganzen Menschheit gesegnete Früchte zeitigt, kahl blieb, scheinbar ein dürres, hoffnungsloses Reis, als es ein Fehler war, an Therapie zu glauben, da scheuten Sie Sich nicht, hochverehrter Herr, dieses Fehlers Sich zu rühmen.*) Sie glaub- ten an Therapie, Sie hielten den Zweig nicht für verloren, der fast aufgegeben war von Denen, welche ihn zu pflegen vorzugsweise berufen *) Handb. d. spec. Pathol. u. Therap. I. 1854. Vorwort S. XI. VI waren. — Ihre Voraussicht hat Sie nicht getäuscht, mit dem Wachs- thum des Baumes, der durch Sie gross geworden, hat auch jener Zweig neue Nahrung bekommen und wie Ihre Arbeiten mittelbar, so hat Ihr Wort, zur rechten Stunde gesprochen, unmittelbap>vihn auf- gerichtet, ihm Arbeiter und Pflege zugeführt, deren er bedurfte. Die Therapie ist wieder zu Ansehen gekommen, nachdem sie Ziel und Richtung von Ihnen empfangen hatte. In der Abhandlung, welche ich Ihnen hier zu überreichen mir erlaube, hat der Therapie ein Raum noch nicht gegönnt werden können, denn die Albuminurie, welche den Gegenstand dieser Ab- handlung bildet, ist ihr im Ganzen noch wenig zugänglich. Aber wie Sie an der Therapie überhaupt nicht verzweifelt haben, als sie dem Untergange nahe schien, so geben wir die Hoffnung nicht auf, dass sich auch in diesem besonderen Falle dereinst noch die Macht der Therapie bewähren werde. Mir schienen diese Blätter um deswillen nicht unwerth, Ihnen gewidmet zu werden, weil ihr Inhalt in die Fächer „der pathologischen x^natomie und Physiologie und der klinischen Medicin" fällt, jene Fäclier, weichen Sic eine so fruchtbare Stätte bereitet haben in Ihrem Archiv, dem unvergäng- lichen Denkmal der von Ihnen verkündeten und allen Ihren Jüngern zum Wahlspruch gewordenen Einheitsbestrebungen in der wissenschaftlichen Medicin! Berlin, im October 1881. H. Senator. Inhalt Seite Einleitung; 1 I. lieber die verschiedenen Arten der Eiweissausscheidung 4 Die möglichen Quellen des Eiweisses iin Harn. Echte und falsche Albuminurie. Albuminurie im engeren Sinne oder iVusscheidung der durch Hitze gerinnbaren Eiweisskörper des Blutes (Serumalbumin und Globulin). Pepton urie. Propeptonurie (Ausscheidung von Hemialbu- mose). Gemischte Albuminurie. Methoden zum Nachweis der gerinn- baren und nicht gerinnbaren Eiweisskörper. II. lieber den Eiweissgehalt des normalen Harns 15 Angaben über das Vorkommen eines fermentartigen Körpers (Nephro- zymase) und der eigentlichen Eiweisskörper im normalen Harn. Physiologische Albuminurie, Häufigkeit derselben und Schwierigkeit ihres Nachweises. ' Quelle des Eiweisses im normalen Harn sind die Gefässknäuel , welche ein Filtrat, kein Secret liefern. Gesetze der Filtration und Transsudation. Zusammensetzung des Harns aus Filtra- tionsflüssigkeit und specifischem Drüsensecret. III. Ueber die Abhängigkeit der Albuminurie von den Veränderungen des Blutdrucks 38 Schwierigkeiten bei der Beurtheilung des Einflusses von Druck- veränderungen. Versuche den arteriellen Druck zu steigern durch Rückenmarksreizung, durch Dyspnoe etc., durch Aorten unterbin düng, durch Trennung der Nierennerven, durch Erhöhung der Körperwärme, durch Muskelarbeit, durch Verdauung, durch Gifte. Venöse Stauung durch Venenunterbindung, Arterien Unterbindung, Harnleiterunterbin- dung. Unterschiede bei lang- und kurzdauernder Unterbindung. Er- klärung der Vorgänge bei den verschiedenen Arten der Nierenstauung. Vergleich der experimentell herbeigeführten Stauung mit den klinischen Formen der Stauung. IV. Ueber die Abhängigkeit der Albuminurie von der Entartung der Nieren- epithelien 73 Die Drüsenepithelien gelten als Schutz gegen den Austritt von Eiweiss. Albuminurie bei fettiger Entartung der Epithelien (Phosphor- vergiftung , perniciöse Anämie) , bei parenchymatöser Entartung und Coagulationsnecrose. Abstammung des Eiweisses aus umgewandelten Epithelien. V. Ueber den Einfluss der Blutbeschaflfenheit auf die Albuminurie 87 Quantitative xVcnderungen in der Zusammensetzung des Blutes, ins- VIII Inhalt. Seite. besondere seines Gehaltes an gelöstem Eiweiss, Salzen, Harnstofif und deren Einfluss auf die Eiweissfiltration unter physiologischen Verhält- nissen (Verdauungsalbuminurie). Einfluss derselben in pathologischen Zuständen. Qualitative Aenderungen. Auftreten von Hühnereiweiss und anderen löslichen Eiweissl5:örpern im Blut, Vorkommen des Pept'&ns, Pro- peptons, gelösten Hämoglobins unter physiologischen und pathologischen Verhältnissen. Einfluss der erhöhten Blutteraperatur auf die Filtration. Verhalten der specifischen Secretion. VI. üeber einige besondere Formen krankhafter Albuminarie 100 Unmöglichkeit alle krankhaften Albuminurieen zu erklären. Albu- minurie bei Stauung, Krämpfen, Intoxicationen. Febrile Albuminurie. Albuminurie bei Cholera und bei Diarrhoe. Albuminurie bei den ver- schiedenen Formen der Nephritis, acuter, chronischer Nephritis und Niercncirrhose. Verschiedenheiten dabei. Amyloidentartung der Nieren. S. Druckfehler. 10, 11, 15, 20, Z. 9 3 4 9 V. oben lies „ unten „ Hemialbumose, hellt sich, durch Kochen. 16 a). 114 No. 41. lies Rindowsky. Einleitung. ,,Die Geschichte lehrt, dass die Anschauungen der Späteren immer wieder auf Punkte zurückkommen, welche die frühere Beobachtung sclion erledigt zu haben glaubte und geradein, unserer Zeit, wo so Wenige die Müsse finden, die Wissen- schaft historisch zu studiren , ist es vielleicht eher gerecht- fertigt, das Aeltere wieder in den Gesichtskreis der nach- wachsenden Generation zu rücken." R. Virchow's Vorwort zu; Gesammelte Abhandlungen zur wissenschaftlichen Medicin. 1856. INicht besser wüsste ich die nachfolgende Abhandlung einzuleiten, als mit den an die Spitze gestellten Worten Virchow's. Denn wie für so viele andere wissenschaftliche Fragen in der Medicin, so namentlich auch für die Lehre von der Albuminurie haben sie, wie mir scheint, voll- ständige Geltung und jetzt vielleicht mehr als jemals. Die älteren Ansichten, welche gegenwärtig, wenn nicht gänzlich aufgegeben, so doch wenig geschätzt sind, Hessen bekanntlich verschiedene Ursachen für die Albuminurie zu, nämlich: Kreislaufsveränderungen in den- Nieren, Veränderungen der zwischen Blut und Harn befind- lichen Membranen und Veränderungen der Blutflüssigkeit. Einem jeden dieser drei Momente wurde ein grösserer oder geringerer Antheil an der Entstehung der Albuminurie zuerkannt und der Ein- fluss eines jeden nach dem jeweiligen Stande der Wissenschaft zu be- stimmen gesucht. Gegen diese Lehre erhob sich am nachdrücklichsten und mit grossem Erfolge J. B. Stokvis, indem er sich auf Grund von ausgedehnten experimentellen und klinischen Untersuchungen dahin aussprach, dass jede Aenderung des Kreislaufs, welche den Zufluss des arteriellen, oder den Abfluss des venösen Blutes hindert, den Uebergang von Eiweiss in den Urin veranlasse, dass aber alle anderen Bedingungen, welche man früher dafür noch hatte verantwortlich H. Senator: Die Albuminurie. 1 2 Einleitung. machen wollen, zu verwerfen sein ^). Somit war als alleinige Ursache der Albuminurie eine Verlangsamung des Blutstromes in den Nieren anerkannt, denn diese ist die nothwendige Folge jeder Kreislaufsänderung in dem von Stokvis geforderten Sinne. Es war nunmehr nur noch ein kleiner Schritt weiter zu thun und festzustellen, in welcli^m von den beiden functionell verschiedenen Theilen des Gefässsystems der Nieren jene Kreislaufsstörung stattzufinden habe, um Albuminurie zu veranlassen, und es ist denn in der That das übereinstimmende Ergebniss der in der allerjüngsten Zeit darauf gerichteten Untersuchungen gewesen, dass der Sitz dieser Störung in die Knäuelgefässe zu verlegen sei. Nach Runeberg-) und Posner^), denen sich Ribbert-*) und Litten^) angeschlossen haben, sind diese Gefässe der alleinige oder doch der allein maassgebende Ort der Eiweissausscheidung. Die Ursache für den Austritt von Eiweiss aus ihnen findet Runeberg in der Herab- setzung des Blutdrucks, während Posner und Litten auf die Ver- langsamung des Blutstromes das Gewicht legen, letzterer in Anlehnung an Runeberg's Ansicht von der Wirkung der Druckerniedrigung auf die Eiweissausscheidung*). Die Stromverlangsamung wirkt, wie Cohn- heim'') gezeigt hat, bei längerer Dauer derartig verändernd auf die Gefässwand ein, dass sie abnorm durchlässig für Blutbestandtheile und insbesondere für Eiweiss wird. Cohulieim selbst^) hält eben- falls die Kreislaufsstörung in den Malpighi' sehen Knäueln für die Ursache der Albuminurie, nur betont er weniger die Schädigung dieser Störung für die Gefässwände als für die Epithelien, welche die Knäuel- gefässe überziehen, denn diesen schreibt er mit Heidenhain^) die Zurückhaltung des Eiweisses unter normalen Verhältnissen zu. In dieser Weise hat sich in den letzten Jahren die Lehre von der Albuminurie gestaltet, hauptsächlich in Deutschland, aber auch ausserhalb Deutschlands, wie aus den neuesten, unseren Gegenstand umfassenden Darsellungen von Charcot^^), Lepine") u. A. zu ent- nehmen ist. Vor den älteren Ansichten hat diese Lehre offenbar den Vorzug grosser Einfachheit, denn jene anderen Momente, über welche früher so viel gedacht und geforscht worden ist, spielen dabei gar *) An einer anderen Stelle allerdings spricht Litten eine abweichende An- sicht aus, nämlich die, dass die Epithelien der Tubuli contorti für die Eiweiss- ausscheidung verantwortlich zu machen seien, indem sie unter pathologischen Verhältnissen dem durch die Schlingen der Knäuelgefässe hindurchgepressten, in der Norm schon eiweisshaltigen Transsudat das Eiweiss nicht entziehen.^) Einleitung. 3 keine Rolle mehr, kaum dass noch ein Mal die Rede von ihnen ist, ja Posner hält sie auch der Erörterung nicht werth, da sie, wie er sagt, jeder thatsächlichcn Unterlage entbehren. indessen darin geht er doch wohl zu weit, denn Thatsachen liegen schon seit längerer Zeit vor, welche wohl für die Abhängigkeit mancher Albuminurie von einer Veränderung der ausserhalb der Knäuel gelegenen und auch noch bei der Harnabsonderung betheiligten Membranen, oder von einer ver- änderten ßlutbeschaffenheit gedeutet werden könnten. Von einer Erör- terung durften sie deshalb nicht ausgeschlossen werden und diese haben sie in den folgenden Abschnitten gefunden hinter den Erörte- rungen über den Einfluss der Kreislaufsveränderungen, denen sie an Wichtigkeit allerdings bei Weitem nachstehen. I. Ueber die verscMedenen Arten der Eiweiss- ausscheidung. VV enn ich die älteren Anschauungen über Albuminurie hier in's Ge- dächtniss rufe, so meine ich gleichwohl nicht, dass man sie einfach in der überlieferten, übrigens ziemlich allgemein und unbestimmt gehaltenen Form übernehmen solle, sondern will nur hervorgehoben haben, dass sie im Vergleich mit den neuesten einfachen, aber auch einseitigen Lehren den Thatsachen besser Rechnung tragen, weil sie von einem höheren Standpunkt mit weiterem Gesichtskreis ausgehen. Durchaus erschöpfend haben auch sie nicht alle Gesichtspunkte in Betracht ge- zogen, der Kreis der Möglichkeiten lässt sich noch weiter fassen, als es jetzt und früher geschehen ist. Wie viel davon Berücksichtigung verdiene und für welche Fälle die eine oder andere Möglichkeit der Beachtung werth sei, soll im Folgenden besprochen werden. — In Einem Punkte begegnen sich wohl alle bisherigen Lehren von der Albuminurie, ältere wie neuere, indem sie ausnahmslos die Quelle des Harneiweisses in das Blut und zwar fast ausschliesslich in das Blut der Gefässknäuel verlegen. Dies erscheint überall so selbstverständlich, dass die Frage, ob keine andere Abstammung des Eiweisses möglich sei, sich gar nicht einmal aufgedrängt, geschweige denn irgend eine Erörterung gefunden hat. *) Indessen muss man bei allseitiger und vorurtheilsfreier Ueberlegung doch wohl anerkennen, dass noch andere ürsprungsstätten des Eiweisses, als nur das Blut der Knäuelgefässe , wenigstens denkbar sind und da von den bisherigen Theorien, welche hierauf keine Rücksicht nehmen, keine einzige in be friedigender Weise alle verschiedenen Formen von Albuminurie zu er- *) Ich selbst nur habe bei früherer Gelegenheit (in Vir chow's Archiv Bd.LX, S. 478 u, 497) schon auf weitere mögliche Quellen des Eiweisses im Urin hin- gewiesen und Bartels hat sich mir theilweise angeschlossen (in v. Ziemssen's Handb. d. Pathol. IX, 1, S. 36 u. 38). lieber die verscliiedenen Arten der Eiweissausscheidung. 5 klären vermag, wie die weitere Darstellung des Oefteren zeigen wird, so scheint doch eine Erörterung auch jener anderen Entstehungsweisen der Albuminurie nicht müssig zu sein, mögen sie von vorne herein auch nocli so wenig in den Rahmen unserer gewohnten Vorstellungen passen. Freilicli wird man für den Ursprung des Harneiweisscs nicht alles dasjenige in den Nieren in Anspruch zu nehmen haben, was Eiweiss enthält, oder aus Ei weiss besteht, insbesondere nicht alle Gewebsbestandtheile, wie das interstitielle Bindegewebe, die Substanz der Blut- und Lymphgefässwandungen oder die Grundmembranen der Harncanälchen, denn deren Eiweiss kann nur bei vollsländiger Zer- störung der Gewebe in den Urin übergehen. Es bleibt aber noch das Blut des interstitiellen Gefässsystems, ferner die Lymphe und die ver- schiedenen Epithelien der Niere, welche Eiweiss zum Harn liefern könnten, und es ist gar kein Grund vorhanden, diese alle insgesammt von jeder Erörterung auszuschliessen. Im Gegentheil hätten wir wohl Ursache, eine etwaige Betheiligung derselben bei der Albuminurie zu prüfen, da sie zusammen oder einzeln bei den Vorgängen, welche zur Albuminurie führen, bei der Stauung, bei den verschiedenen Formen der Entzündung und Entartung der Nieren mehr oder weniger in Mit- leidenschaft gezogen werden. Zuvor ist es nöthig, auf den Begriff „Albuminurie" näher ein- zugehen, denn die bisherige Begrenzung desselben ist im Laufe der Zeit und in dem Maasse, als die Kenntniss von den im Harn vorkom- menden Eiweisskörpern sich erweitert hat, ungenügend geworden. Man pflegt gewöhnlich nur eine „echte oder eigentliche Albuminurie" von der „falschen Albuminurie" zu trennen und versteht unter der letzteren jene Zustände, bei welchem zu einem aus dem Nieren- parenchym stammenden Urin ohne Eiweiss nachträglich eine eiweiss- haltige Flüssigkeit sich hinzugesellt, sei es Hoden- oder Prostata- secret, oder Blut, Eiter, Lymphe, oder der Saft zerfallenden Gewebes. Diese falsche Albuminurie bedarf keiner Erörterung. Bei der wahren Albuminurie, bei welcher das Eiweiss zugleich mit anderen Harn- bestandtheilen voi\ dem Nierenparenchym geliefert wird, denkt man gewöhnlich nur an die Ausscheidung durch Hitze gerinnbaren Ei weisses. Die Eigenschaft der Gerinnbarkeit des Harns hat zur Entdeckung der Albuminurie durch Cotugno geführt, sie findet sich in der grössten Mehrzahl aller Fälle von Albuminurie und entspricht auch im Allgemeinen jener Vorstellung, welche die Quelle des Eiweisses 6 Ueber die verschiedenen Arten der Eiweissaussclieidung. allein im Blute sucht, deshalb ist es sehr erklärlich, dass bis heutigen Tages die Bezeichnung „Albuminurie" fast noch ganz in jenem Sinne, so wie vor hundert Jahren, gebraucht wird, dass die Bezeich- nung Verlegenheiten bereitet, wenn im Urin Eiweisskörper gefunden werden, welche durch Hitze nicht gerinnen, mögen sie sicK auch sonst dem gewöhnlichen Harneiweiss ganz gleich verhalten, ja dass solche Fälle als gar nicht zur Albuminurie gehörig betrachtet werden. So wenig aber wie die Gerinnbarkeit durch Erhitzen allen Eiweisskörpern zukommt, ebensowenig ist sie nur einem einzigen Eiweisskörper eigen- thümlich, so dass man etwa die Bezeichnung „Albuminurie" nur auf die Ausscheidung dieser einen gerinnbaren Eiweissart beschränken könnte. Im Gegentheil würde schon allein aus jener gangbaren Vor- stellung von der Abstammung des Harneiweisses aus der Blutflüssig- keit mit Nothwendigkeit folgen, dass mehr als ein einziger gerinn- barer Eiweisskörper in den Urin übergeht, denn das Blut enthält in der Norm wenigstens deren zwei in Lösung: das Serum albumin (Serin) und das Globulin. Es liegt nicht der mindeste Grund zu der Annahme vor, dass immer und ohne Ausnahme nur einer von diesen beiden, etwa das Serumalbumin, wie man gemeinhin anzunehmen geneigt ist, aus dem Blute austritt, vielmehr ist von vorneherein schon zu erwarten, dass, wenn nicht immer, so doch in einem Theil der Fälle, er mag gross oder klein sein, beide Körper austreten, wenn auch vielleicht nicht in gleichem Verhältniss. Und so ist es in der That, denn in den meisten Fällen, in denen im Harn durch Erhitzen gerinnbares Eiweiss sich findet, gelingt es beide Körper, Serumalbu- min und Globulin, nachzuweisen. Es erscheint auch gar nicht unmög- lich, dass unter Umständen nur der eine von diesen beiden im Urin auftritt, wenigstens in nachweisbarer Menge, denn wie verschieden auch die Ansichten über den Absonderungsvorgang von Eiweiss in der Niere sein mögen (und die Ansichten hierüber sind noch keineswegs geklärt, wie wir später sehen werden), so stimmen sie doch darin alle überein, dass dabei die Diffussions- und Filtrationsfähigkeit der verschiedenen Eiweisskörper eine grosse Rolle spielt. In dieser Be- ziehung aber unterscheiden sich schon die beiden normal im Blut vor- kommenden Eiweiskörper nicht unerheblich von einander, denn Glo- bulin ist viel diffusibler (vielleicht auch filtrationsfähiger) als Serum- albumin und sonach wäre, wenn etwa nur ein Eiweisskörper in nachweisbarer Menge in den Urin übergehen sollte, zunächst das Uelicr (lio ver.scliiedoneii Arien der ßiwci.ssaiisscliciilung. 7 Globulin zu erwarten. Wenn die ganz neuerdings von Estello'^) geraachte Angabe sich bewahrheitet, wonach zuweilen nur der durch Magnesiumsulfat fällbare Eiweisskörper (d. i. Globulin) im Harn zu finden ist, so würde damit diese theoretische Voraussetzung eine glänzende Bestätigung finden und man müsste von einer Globu- linurie sprechen. 15is jetzt ist auf diesen Punkt nicht hinlänglich geachtet worden und die bisher gebräuchlichen Methoden zum Nach- weis des Globulins, waren auch, wie Hammarsten '3) nachgewiesen hat, dazu wenig geeignet, weil sie ungenau sind und bei kleinen Mengen davon ganz im Stich lassen. Es ist also zu erwarten, dass durch die neue von Hararaarsten angegebene und von Estelle eben auch be- nutzte Methode Globulin in grösseren Mengen und häufiger noch als bisher sich im Harn wird auffinden lassen. Dass Serumalbumin allein im Harn auftreten, also eine reine Serinurie, wie man es nennen könnte, vorkommen sollte, ist aus dem angegebenen Grunde weniger wahrscheinlich. Wenn bisher nicht in allen Fällen neben dem Serum- albumin auch Globulin gefunden wurde, also scheinbar eine solche Serinurie vorhanden war, so ist eben wahrscheinlich die mangelhafte Untersuchungsmethode Schuld daran gewesen. Es steht hiernach schon fest, dass selbst wenn man den Begriff „Albuminurie" in dem bisherigen beschränkten Sinne braucht, es sich nicht um die Ausscheidung eines einzigen und immer desselben Eiweisskörpers handelt. Dazu kommt nun aber, dass man in neuerer Zeit auch Eiweisskörper im Harn gefunden hat, welchen das bis dahin für charakteristisch gehaltene Zeichen der Gerinnbarkeit abgeht. Hier- her gehört zuerst das Pepton. Während man früher von seinem Vor- kommen im Urin gar Nichts wusste, später es als zweifelhaft oder als eine Curiosität betrachtete, haben in neuester Zeit Hofmeister und seine Schüler gezeigt, dass es unter gewissen, nicht gar seltenen Um- ständen in ansehnlichen Mengen darin auftritt und dass diese Ausschei- dung, die Pepton urie, eine wissenschaftliche und practische Bedeu- tung hat'-*). Dabei ist bekanntlich im Blut Pepton nur immer in Spuren oder selbst gar nicht aufzufinden. Gegenüber jener gangbaren Vorstellung von der Herkunft alles Harneiweisses aus dem Blut könnte das sehr räthselhaft erscheinen, wenn wir nicht anderweitige Erfah- rungen hätten, welche das Räthsel lösen helfen. Wir wissen nämlich, dass gerade die Nieren vermöge einer besonderen Anziehungskraft ge- wisse Stoffe in grossen Mengen ausscheiden und zwar aus dem Blut 8 Ueber die verschiedenen Arten der Eiweissausscheidung. ausscheiden, von denen dieses selbst wenig mehr als Spuren enthält (wie z. B. Harnstoff, Harnsäure, Kreatin etc.) und so erklärt denn auch Hofmeister die Peptonurie als Folge einer specifischen Eigen- thümlichkeit der absondernden Elemente in den Nieren, da er gefun- den hat, dass nach Einspritzung von Pepton in das ßlu^ oder unter die Haut der Harn damit überladen ist, während das Blut kaum noch bestimmbare Spuren davon aufweist. Diese Erklärung erscheint sehr annehmbar und für gewisse Fälle, welche sich dieser experimentellen Einverleibung von Pepton analog verhalten, wie z. B. bei der Re- sorption peptonhaltiger Exsudate (Pleuritis, Pneumonie, Rheumarthri- tis), unzweifelhaft richtig. Eine andere Frage aber ist, ob die Pep- tonurie ausschliesslich in dieser Weise entstehen muss, oder ob nicht andere Entstehungsarten möglich sind. Diese Frage erscheint wohl nicht unberechtigt angesichts der neueren Untersuchungen, welche be- weisen, dass zwischen den eigentlichen Eiweisskörpern und den Pep- tonen keine so scharfe Scheidung besteht, als man früher anzunehmen wohl geneigt war. Nicht bloss durch die Verdauung, sondern auch durch mancherlei Einflüsse anderer Art, namentlich auch durch die beginnende Fäulniss, wird gewöhnliches Eiweiss in Modificationen, welche sich Dem, was man „Pepton" nennt mehr oder weniger nähern, um- gewandelt. Es wäre ja denkbar, dass auch in Krankheitszuständen die gewöhnlichen Eiweisskörper im Blute und in den Säften oder in den Nieren derartig verändert würden, dass sie ihre Gerinnbarkeit durch Erhitzen und ihre Fällbarkeit durch gewisse Säuren und Metalle ver- lieren. Ja, es fehlt auch gar nicht an Andeutungen für das Vor- kommeii solcher Processe im lebenden Körper, welche die Eiweiss- körper ähnlich wie die Verdauung oder wie manche Ferment- und Fäulnissprocesse zu verändern im Stande sein könnten. So ist es eine in neuerer Zeit uns sehr geläufig gewordene Vorstellung, dass im Fieber gewisse fermentative Vorgänge im Körper Platz greifen und gerade in fieberhaften Krankheiten ist öfter als sonst das Vorkommen peptonartiger Körper im Urin aufgefallen. Auch die Stoffwechsel- vorgänge bei verschiedenen Vergiftungszuständen, namentlich bei der Phosphorvergiftung, bieten vielfache Analogien mit den Ferment- und Fäulnissprocessen und noch ganz neuerdings hat Selmi *') auf ihre Aehn- lichkeit hingewiesen, und wieder sind es gerade diese Zustände, allen voran die Phosphorvergiftung, bei denen dieselben Körper im Urin zu finden sind. Diese Beispiele genügen, um zu zeigen, dass nicht immer Uober die verschiedenen Arten der Eiweissausscheidung. 9 blos solches Pepton, welches fertig in das Blut und die Säfteraasse gelangt, im Urin ausgeschieden zu werden braucht, sondern dass viel- leicht oder wahrscheinlicher Weise auch Mischungsänderungen, die im Blute, in den Säften und Gewebselcmcntcn selbst vor sich gehen, die gewöhnlichen Eiwcisskörper in peptonartige Modificationen überführen können. Dadurch ist denn weiter die Vermuthung gerechtfertigt, dass auch gewisse Zwischenproducte, welche sich bei dem üebergang von den eigentlichen Eiweisskörpcrn zu den Peptonen bilden, unter Um- ständen im Körper auftreten und auch im Urin zur Ausscheidung kommen und dass zwischen „Peptonurie" und „Albuminurie" ebenso- wenig eine scharfe Sonderung aufrecht zu erhalten ist, wie zwischen Peptonen und eigentlichen Eiweisskörpcrn. Die neueren Untersuchungen haben eben gelehrt, dass die Um- wandclung der Eiwcisskörper in Peptone sich allmählich und stufen- weise unter Bildung von Zwischen- oder Uebergangsproducten vollzieht und wenigstens ein solches Product ist genauer gekannt, welches in mancher Beziehung noch dem Eiweiss, in anderer schon dem Pepton gleicht, d. i. die Hemialbumose oder das Propepton *'). Die wichtigste Eigenschaft dieses Körpers ist, durch Erhitzen aus der wässerigen Lösung nicht gefällt zu werden, während Essigsäure und Ferrocyankalium, Salpetersäure, Essigsäure und concentrirte Kochsalz- lösung in der Kälte eine Fällung bewirken.*) Dieser oder ein ihm sehr ähnlicher Körper ist von Virchow im osteomalacischen Knochen- mark, von Fleischer kürzlich auch im normalen Knockenmark ge- funden worden. Im Urin eines Osteomalacischen hatte vorher schon Bence Jones einen ganz ähnlichen Körper, oder vielleicht ein Ge- menge desselben mit anderem Eiweiss gefunden, einen ähnlichen Befund machten Langendorff und Mommsen im Urin bei einem Osteoma- lacischen , obgleich sie nach dem Tode in den Knochen desselben keinen derartigen Eiwcisskörper nachweisen konnten, endlich fand auch Kühne bei einem Osteomalacischen Hemialbumose im Urin. Ausserdem finden sich noch einige vereinzelte Angaben über das Vor- kommen eines Eiweisskörpers im Urin, welcher durch Erhitzen nicht gerann, oder sogar, wenn auf andere Weise gefällt, beim Erhitzen sich auflöste.'') In wieweit es sich hierbei immer um den in Frage *) Wegen der anderweitigen Reactionen verweise ich auf Kühne's und Salkowski's Angaben. 10 Ueber die verschiedenen Arten der Eiweissausscheidung. stehenden Körper gehandelt habe, ist bei den meist sehr dürftigen An- gaben allerdings nicht zu entscheiden. Prout, Gerhardt, Beneke, Fürbringer, Gowers machen jedoch hinreichend bestimmte Angaben in dieser Beziehung, aus denen das Vorkommen von Hemialbumose bei verschiedenen Krankheitszuständen erschlossen werden k^nn'^). Ferner hat Stokvis'®) nach Einspritzung derselben in das Rectum eines Hundes ihren üebergang in den Harn beobachtet und endlich giebt Lassar-") an, im Harn bei Kaninchen, welchen Petroleum in die Haut eingerieben war, zu einer gewissen Periode Hemialbuminose mit allen ihren charakteristischen Eigenschaften gefunden zu haben. Im Ganzen könnte es nach diesen spärlichen, zum Theil nicht einmal ganz sicheren Angaben scheinen, als wäre das Vorkommen von Hemi- albumose oder Propepton im Urin, die Propeptonurie*), wie ich sie fernerhin bezeichnen will, ein ausnehmend seltenes, welches auf Beach- tung keinen Anspruch machen kann. Dem widersprechen jedoch meine eigenen Beobachtungen, denen zufolge die Propeptonurie zwar nicht häufig, aber doch überraschend häufiger vorkommt, als man nach den gangbaren Vorstellungen und den Angaben in der Literatur glauben sollte. Im Laufe der letzten drei oder vier Jahre ist mir dieselbe in sieben Fällen vorgekommen und zwar zuerst bei einem 44jährigen Mann, welcher wiederholt syphilitisch inficirt war und deswegen seit Jahren verschiedene antisyphilitische Kuren durchgemacht hatte. Zur Zeit seiner ersten Aufnahme im Augusta- Hospital war er in massig gutem Ernährungszustand, leicht icterisch, hatte eine starke Anschwel- lung der Leber und Milz und eine sehr vermehrte Diurese, bis zu 6000 Cctm. täglich, welcher ein ziemlich starker Durst entsprach. Der Urin hatte ein specifisches Gewicht von 1004 — 1006 und gab keine Zuckerreaction. Mit Essigsäure und Ferrocyankalium giebt er eine deutliche Trübung, ebenso mit Essigsäure und concentrirter Lösung von Magnesiumsulfat. Wird der Urin gekocht, so bleibt er klar, ebenso wenn nach dem Kochen Salpetersäure hinzugefügt wird. Mit Natron- lauge und ganz wenig Kupfervitriol erwärmt giebt er eine rothe Fär- bung. Zur genaueren Untersuchung wurde eine Portion des Harns mit etwa dem dreifachen absoluten Alcohol gefällt, der Niederschlag *) Der Name Hemialbumose, welchen Kühne dem in Rede stehenden Verdauungsproduct gegeben hat, ist zwar älter als die von Schmidt- Mühl- heim vorgeschlagene Bezeichnung Propepton. doch habe ich des Wohlklangs wegen letztere vorgezogen. Ueber die verschiedenen Arten der Eivveissausscheidung. 11 nach dem Absitzen in destillirtem Wasser aufgenommen und filtrirt. Die klare Lösung trübt sich auf Zusatz von Salpetersäure, ebenso von Essigsäure, im Ueberschuss der letzteren hält sich die Trübung wieder auf, mit Salpetersäure gekocht klärt er sich auf und zeigt eine schwach gelbe Färbung, mit Natron und Kupfervitriol giebt die Lösung eine schön violette, nicht rothe Färbung. Dasselbe Verhalten zeigte der Harn bei einer mehrere Tage später wiederholten Untersuchung, dann nicht mehr, während zugleich seine Menge und sein specifisches Ge- wicht normal wurden. Patient wurde nach 5 monatlichem Aufenthalt sehr gebessert entlassen und kehrte später wegen leichterer Gesund- heitsstörungen noch zweimal auf kürzere Zeit in's Hospital zurück, doch wurde im Urin eine Abnormität nicht wieder entdeckt. Die anderen Fälle betrafen einen 61jährigen Mann mit einer rechtsseitigen Hemiplegie, eine 58jährige Frau, welche an doppel- seitiger Pneumonie litt, ein Kind mit diphtheritischer Laryngitis, bei welchem auf der chirurgischen Station die Tracheotomie gemacht wor- den war, einen 55jährigen Mann mit krebsiger Strictur der Speise- röhre, einen 26jährigen Mann mit linksseitiger Pneumonie, endlich einen '21jährigen Studenten der Theologie, welcher nach Angabe seines Arztes vor 4 Jahren eine diphtheritische Rachenentzündung und im Anschluss daran eine Dysenterie und hämorrhagische Nephritis be- kommen hatte, sowie endlich eine Neuritis im linken Plexus brachialis, welche letztere eine Parese und Atrophie säramtlicher Armmuskeln zur Folge hatte. Diese \\turde nach etwa einem Jahr ganz rückgängig, so dass zur Zeit meiner Untersuchung im Juli 1880 der linke Arm fast ganz normal functionirte, und nur noch wenig schwächer als der rechte erschien. (Sein Umfang an verschiedenen Stellen gemessen blieb 0,5 — 2 Ctra. hinter denen des rechten Armes zurück.) Von der Nephritis war lange Zeit eine Albuminurie zurückgeblieben, welche der Patient selbst durch Kochen seines Urins nachzuweisen gelernt hatte. Erst nach IV, Jahren war mit dieser Probe, nachdem sie allmählich eine Abnahme des Eiweissgehalts nachgewiesen hatte, keine Abnor- mität mehr zu entdecken, später zeigte sich ab und zu wieder beim Kochen gerinnbares Eiweiss. Zur Zeit meiner Untersuchung gab nur der nach dem Mittagsessen entleerte Urin bei längerem Kochen eine auf Zusatz von Säure bleibende Trübung (vgl. 11 u. V Vcrdauungsalbuminurie), der sonst gelassene Urin enthielt kein durch Kochen gerinnbares Eiweiss, wohl aber Propepton. Beiläufig sei bemerkt, dass Patient niemals Oedeme 12 Ueber die verschiedenen Arten der Eiweissausscheidung. gehabt hat und trotz 4jährigeii Bestehens seiner „Albuminurie" keine Spur einer Herzhypertrophie zeigte. Er befand sich auch vollständig wohl und hatte sich nur an mich gewandt, um über das Verhalten seines Urins Aufschluss zu bekommen. In allen Fällen wurde das Propepton dadurch entdeckt, dass der Urin beim Kochen klar blieb, während er mit Essigsäure und Ferro - cyankalium e'ne Trübung, oder einen Niederschlag gab. Die weitere Untersuchung wurde dann meist in der beim ersten Fall angegebenen Weise nament ish an dem durch Alcohol ausgefällten Niederschlag ge- macht. Nicht immer konnten alle für die Hemialbumose von Kühne und Salkowski angegebenen Reactionen geprüft werden, theils weil dieselben zur Zeit noch nicht bekannt waren, theils weil die Propep- tonurie wieder verschwunden war, bevor die geplante genauere Unter- suchung hatte angestellt werden können. Aber so viel wurde ausser der Reaction mit Essigsäure und Ferrocyankalium immer festgestellt, dass Kochen allein den Urin klar Hess, Salpetersäure oder Essigsäure in der Kälte eine Trübung bewirkten, die sich in der Wärme löste. Kleine Verschiedenheiten in dem Verhalten des Urins und Abweichungen von ßeactionen der bei der Verdauung erhaltenen Hemialbumose kamen wiederholt vor, so trat bei der Biuretprobe statt der rothen Farbe oft die violette auf, oder Essigsäure und concentrirte Lösung von Magnesiumsulfat oder Kochsalz gaben in der Kälte keine oder nur eine ganz schwache Trübung und noch weniger natürlich beim Er- hitzen. Ich glaube nicht, dass man auf di«se Abweichungen einen grossen Werth legen darf, da der Salzgehalt des Urins und ander- weitige Beimengungen sie wohl erklären können. Wichtiger scheint es mir, darauf hinzuweisen, dass höchst wahr- scheinlich auch Fälle vorkommen, in denen Hemialbumose und durch Erhitzen gerinnbares Eiweiss (Serumeiweiss und Globulin) zusammen im Urin sich finden, Fälle, die man als „gemischte Albuminurie" bezeichnen kann. Mir ist es wiederholt und gewiss nicht mir allein vorgekommen, dass ein Urin beim Kochen einen schwachen Nieder- schlag gab, während bei Zusatz von Salpetersäure ohne vorgängiges Erhitzen oder von Essigsäure und Ferrocyankalium ein dicker Nieder- schlag entstand und ferner dass die durch Salpetersäure erhaltene Fällung durch Kochen schwächer, statt stärker wurde. Ich hatte dies bisher immer aus dem verschiedenen Salzgehalt des Urins erklären zu müssen geglaubt, oder auch wohl daraus, dass in der Kälte Harn- Ueber die verschiedenen Arten der Eiweissansscheidung, 13 säure mitgefällt wurde, bis ich einen Fall von subacuter Nephritis, in welchem dies Verhalten sehr auffallend war, näher untersuchte. Der stark saure Urin wurde unter Zusatz eines Tropfens Essigsäure auf- gekocht, wobei eine flockige Fällung eintrat und heiss filtrirt, das klare Filtrat mit der dreifachen Menge absoluten Alcohols Übergossen und 24 Stunden stehen gelassen. Der weisse Niederschlag löst sich leicht und klar in dest. Wasser, die schwach saure Lösung bleibt beim Kochen klar, trübt sich dagegen stark auf Zusatz von Salpetersäure, oder Essigsäure und klärt sich beim Kochen wieder ganz auf, wobei die Salpetersäure enthaltende Lösung gelb wird und sich beim Er- kalten nicht wieder trübt. Die Fällung durch Essigsäure ist im Ueber- schuss löslich, die durch Salpetersäure nicht. Ferrocyankaiium giebt in der durch, viel Essigsäure wieder klar gemachten Lösung eino deut- liche Fällung. Natron und Kupfersulfat geben eine schön violette Färbung. — Allerdings ist das Verhalten dieses Niederschlags in ver- schiedenen Stücken von dem der Hemialbumose verschieden, nament- lich darin, dass die durch Salpetersäure bewirkte und durch Erhitzen aufgelöste Fällung beim Erkalten nicht wieder eintrat, aber anderer- seits zeigt er auch von dem gewöhnlichen Eiweiss des H;i-rns so wesentliche Verschiedenheiten, dass man nur annehmen kann, es handle sich um verschiedene Eiweisskörper, oder es sei durch die Behandlung des Urins (Kochen und Alcohol) eine Modification entstanden. Da indessen der gewöhnliche eiweisshaltige Urin bei der gleichen Be- handlung eine solche Modification nicht ergiebt, so darf man wohl schliessen, dass hier wirklich eine „gemischte Albuminurie" vor- handen gewesen sei. Ueber das Vorkommen derselben sind weitere Erfahrungen zu sammeln. Die Eigenschaft der Hemialbumose (des Propeptons) durch Er- hitzen nicht zu gerinnen, ist sicher der Grund, dass bisher so wenig über die Propeptonurie bekannt geworden ist. Denn bei der noch vielfach üblichen Art, Behufs der Untersuchung auf Eiweiss den Harn zu kochen und dann Salpetersäure, oder gar Essigsäure hinzuzufügen, kann dieselbe natürlich nicht entdeckt werden, ausser etwa wenn man das vollständige Erkalten der gekochten Probe abwartet, was in der Regel nicht geschieht, und auch dann bleibt man im Zweifel, da sich auch Harnsäure und Harnfarbstoffproducte aus dem so behandelten Urin allmälig auszuscheiden pflegen. Es ist wiederholt darauf hin- gewiesen worden, dass diese Probe auch in anderer Beziehung unzu- 14 Ueber die verschiedenen Arten der Eiweissausscheidung. länglich ist, weil sie selbst zum Nachweis sehr geringer Mengen des gewöhnlichen Eiweisses im Urin nicht ausreicht. Da sie trotzdem, wie gesagt, bei Vielen immer noch und sogar allein im Gebrauch ist, so wird es nicht überflüssig sein, die weit zuverlässigere^ Proben kurz anzugeben, welche in zweifelhaften oder fortan vielmehr in allen Fällen angewandt werden sollten. Es sind dies: 1) Ansäuern des Urins mit Essigsäure und vorsichtiger Zusatz einer (concentrirten) Lösung von Ferro cyankalium, nach Hofmeister die empfindlichlichste aller Eiweiss- proben, welche alle Eiweisskörper, aber nicht Pepton fällt*). 2) Vor- sichtiger Zusatz von Salpetersäure zu dem (nicht erwärmten) Urin und im Falle einer Trübung Kochen derselben. 3) Zusatz von con- cenrirter Kochsalz- oder Magnesiumsulfatlösung zu dem durch Essig- säure (oder Salpetersäure) angesäuerten Urin. Immer sollten alle drei Proben oder wenigstens die erste und eine der beiden anderen Proben angewandt werden. Die beiden letzteren würden durch gänz- liches oder theilweises Verschwinden eines etwa entstandenen Nieder- schlages beim Erwärmen die Anwesenheit des Propeptons beweisen. In neuester Zeit hat Hindenlang-^) die Metaphosphorsäure als em- pfindliches Reagens auf Eiweiss empfohlen, durch welches ausserdem auch Pepton gefällt wird. Nach den bis jetzt von mir gemachten Erfahrungen kann ich, was die Bequemlichkeit und Empfindlichkeit dieses Reagens betrifft, seiner Empfehlung beitreten, doch möchte ich trotzdem rathen, daneben, wo es sich um besondere Genauigkeit handelt, die anderen Proben nicht zu vernachslässigen, schon der Con- tole wegen, und weil bei sehr schwachem Eiweissgehalt durch den Salzgehalt des Urins, durch die Gegenwart anderer organischer Stoffe und durch andere unbekannte Einflüsse kleine Abweichungen in dem Verhalten gegen das eine oder andere Reagens vorkommen. Jeden- falls muss man, um Propepton aufzufinden, eine der auf kaltem Wege anzustellenden Proben und eine auf Erwärmung beruhende in An- wendung ziehen. Wenn, wie nach Hindenlang's Angabe anzunehmen ist, die Metaphosphorsäure geeignet ist, auch kleinere Mengen von Pepton im Urin anzuzeigen, so würde man damit auch ein sehr bequemes Mittel zur Erkennung der Peptonurie gewonnen haben. Ein durch *) Kur bei Gegenwart von sehr viel Kochsalz lasst diese Reaction nach Sal- kowskl im Stich, doch kommt ein solcher Reichthum des Harns an Kochsalz, wie er zur Verhinderung der Eiweissfällung nöthig ist, im Urin nicht vor. Ueber den Eiweissgehalt des normalen Harns. 15 die Säure, nicht aber durch Essigsäure und Ferrocyankalium be- wirkter Niederschlag in dem ursprünglichen Urin würde allein schon auf Pepton hindeuten. Gäbe aber der Urin auch mit Essigsäure und Ferrocvankalium einen Niederschlag, so wäre erst das durch Wochen gerinnbare Eiweiss (Serumalbumin und Globulin) zu entfernen, inj dem Filtrat, welches bei Zusatz von Essigsäure und Ferrocyankalium nun- mehr klar bleiben muss, mit Metaphosphorsäure auf Pepton (und Propepton?) zu prüfen. Allenfalls könnte man auch das Filtrat durch Abdampfen einengen und noch durch starken Alcohol in grossem Ueberschuss ausfällen, um dann den im Wasser wieder aufzunehmenden Niederschlag zu prüfen. Selbstverständlich wird man bei positivem Ergebniss der Probe auch noch die anderweitigen Reactionen zur Be- stätigung heranziehen*). Das Auftreten so verschiedener Eiweisskörper im Urin, zumal auch solcher, welche im Blute unter normalen Verhältnissen nicht vorkommen, legt den Gedanken nahe, dass Aenderungen in der Zu- sammensetzung der Blutflüssigkeit bei diesen besonderen Arten von Albuminurie betheiligt sein können. Somit haben wir 'denn einen weiteren Factor für das Zustandekommen der Albuminurie kennen ge- lernt und werden also in Betracht zu ziehen haben einmal die Nieren, und zwar sowohl die Veränderungen der Kreislaufs Ver- hältnisse wie diejenigen der Epithelien und sodann die Ab- weichungen der Biutbeschaffenheit. IL Ueber den Eiweissgehalt des normalen Harns. Den Ausgangspunkt für ^lle Untersuchungen über Albuminurie wird immer die Frage zu bilden haben, ob der Urin im normalen Zustande eiweisshaltig sei oder nicht. Dass diese Frage über- *) Hofmeister empfiehlt zum Nachweis von Pepton für klinische Zwecke folgende Methode: Man versetzt den Harn mit etwa Vjo seines Volumens con- centrirter Salzsäure , fügt eine saure Lösung von phosphorwolframsauren Natron hinzu und filtrirt sofort ohne Absitzenlassen. Der Niederschlag wird mit verdünnter (3 — öproc.) Schwefelsäure gewaschen, in eine Schale gebracht, mit Baryt in Sub- stanz auf's Innigste verrieben , mit wenig Wasser angerührt und kurze Zeit er- wärmt. Die von den gebildeten unlöslichen Barytverbindungen abfiltrirte Flüssig- keit wird zur Anstellung der Biuretreaction benutzt. 16 Ueber den Eiweissgehalt des normalen Harns. haupt nocli aufgeworfen wird, mag Vielen ketzerisch vorkommen, da sie seit langer Zeit als abgethan gilt und mit einem entschiedenen „Nein" beantwortet wird. Indessen, wenn auch die Lehre, dass der normale Urin kein Eiweiss enthalte und dass jede Albuminurie krank- haft sei, noch nicht umgestossen ist, so tauchen doch ^chon hier und da und immer lauter Zweifel an der uneingeschränkten Giltigkeit des- selben auf und selbst ihre entschiedensten Anhänger lassen schon mit Rücksicht auf die neuesten bald zu erwähnenden Beobachtungen Aus- nahmen zu von dem bis vor Kurzem noch für ausnahmslos hingestellten Lehrsatz. Vorbereitet ist dieser Umschwung der Anschauungen worden einmal durch den Nachweis, dass geringe, früher übersehene Mengen von Eiweiss ohne Nierenleiden bei sehr verschiedenen Krankheits- zuständen im Harn erscheinen und bedeutungslos bleiben, sodann durch die Auffindung von Eiweisskörpern, von denen vorhin die Rede gewesen ist, welche sich von dem gewöhnlich im Harn vorkommenden, in deK Hitze gerinnbaren Eiweiss durch mangelnde Gerinnbarkeit, grössere Löslichkeit und Diffusibilität unterscheiden und deren gele- gentliches Austreten aus dem Blute deswegen auch nach den gang- baren Vorstellungen sehr einleuchtend erscheinen musste. Die Ver- vollkommnung der Untersuchungsmethoden, die Anwendung empfind- licher Reactionen hat aber weiterhin zur Folge gehabt, dass neuer- dings sich im Urin ganz gesunder Menschen auffallend häufig Eiweiss, allerdings meistens in äusserst geringen Mengen, gefunden wurde und zwar Eiweiss, welches, soweit eben diese geringe Menge zu urtheilen erlaubt, sich von dem Eiweiss bei den gewöhnlichen Formen der Albuminurie nicht unterscheidet. Dies hebe ich hervor, weil schon aus früheren Jahren Angaben vorliegen darüber, dass aus jedem normalen Urin ein Körper mit eiweissartigen, oder peptonartigen Eigen- schaften sich darstellen lasse, diese Angaben aber wegen der mangel- haften Darstellungsmethode oder wegen einiger abweichender Reactionen der dargestellten Körper mit wenig Vertrauen aufgenommen worden sind. So haben, um von noch älteren Augaben zu schweigen, Harley, ganz besonders aber Bechamp und nach ihm Fester, Vintschgau und Cobelli einen als „Nephrozymase" bezeichneten Körper aus dem Alcoholniederschlag des Urins gewonnen, welchen man jedoch seiner diastatischen Eigenschaften wegen nicht als eine Eiweiss- art, sondern als einen Fermentkörper betrachtete. ^2) Indessen lässt sich daraufhin ein durchgreifender Unterschied zwischen Eiweisskörpern und Ueber den Eiweissgehalt des normalen Harns. 17 Fermenten, selbst wenn die letzteren rein dargestellt werden könnten, nicht begründen, da nach den Untersuchungen von Seegen und Kratschmer"-^) auch unzweifelhafte Eiweisskörpcr diastatische Wirkun- gen zeigen können. Uebrigens unterscheidet Leube, welcher aus dem Harn normaler Menschen in 21 Fällen 14 Mal Eiweiss in dem Alcoholniederschlag fand, das letztere von dem diastatischen Fer- ment, weil ersteres (in 4 von jenen 14 Fällen) ohne letzteres, sowie umgekehrt dieses ohne jenes (in 7 von '21 Fällen) vorkam. Das Eiweiss ähnelte in seinen Reactionen dem Paralbumin--*). Dem sei nun, wie ihm wolle, so liegen jetzt anderweitige Beob- achtungen über Albuminurie bei gesunden Menschen vor, welche gar keinen Zweifel darüber, dass es sich dabei um wirkliches Eiweiss im gewöhnlichen Sinne handelt, aufkommen lassen, Zweifel, welche gegenüber älteren Beobachtern (ich nenne z. B. Becquerel, Simon, C. Schmidt, Canstatt) immer wieder geltend gemacht w^urden. Solche Beobachtungen häufen sich in neuerer Zeit immer mehr in dem Maasse, als die Urinuntersuchungen in grösserer Zahl, mit grösserer Sorgfalt und besseren Methoden als früher angestellt werden. Auf diese Methoden habe ich soeben (S. 14) hingewiesen und es ist mit Sicherheit zu erwarten, dass bei häufigerer Anwendung derselben die Albuminurie noch weit öfter als bisher entdeckt werden wird. Indessen liegt auch jetzt schon eine ansehnliche Zahl zuverlässiger, ja sogar da nicht immer gerade die empfindlichsten Methoden dabei zur Anwendung gekommen sind, in höherem Maasse beweiskräftiger Beobachtungen vor von einer kürzere oder längere Zeit andauernden Eiweissauschei- dung bei Menschen, welche während derselben und Jahre lang kein Zeichen von Gesundheitsstörung darboten. Solche Beobachtungen machten Frerichs, J. Vogel, Ultzmann, Gueneau de Mussy, Leube, Gull, Moxon, Rooke, Dukes, Saundby, Edlefsen, Marcacci, Munn, Bull, Fürbringer, Kleudgen-^). Schon diese grosse Zahl der allein der neueren Zeit angehörenden Beobachter, die zum Theil ihre Befunde ganz zufällig gemacht haben, verbietet es daran zu denken, dass es sich bei dieser Albuminurie um seltenste Aus- nahmen, um Curiositäten, die keine Berücksichtigung verdienen, handle. Noch mehr verbietet dies das von einigen Beobachtern bei eigens dar- auf hin gerichteten Untersuchungen gefundene Häufigkeitsverhältniss. Nach Leube zeigte sich unter 119 gesunden Soldaten bei 19 Eiweiss im Harn, also in 16 pCt., nach Muun unter 200 anscheinend gesunden U. äciiator: Die Albuminurie. n 18 üeber den Eiweissgehalt des normalen Harn. Personen, welche sich zur Lebensversicherung meldeten , bei 24 d. i. in 12 pCt. Fürbringer fand bei 7 von 61 gesunden Kindern, also in 11,5 pCt., Eiweiss, Kleudgen sogar bei 14 von 32 gesunden Krankenwärtern, also in 44 pCt. und selbst bei dej^ übrigen dann, wenn der Urin concentrirter war und sein spec. Gewicht 1014 über- schritt. Kleudgen ist deshalb der Meinung, dass (abgesehen von mangelhaften Prüfungsmethoden) nur die Verdünnung des Urins der Grund sei, weshalb für gewöhnlich kein Eiweiss in ihm nachgewiesen werden könne. Gewiss ist die Verdünnung des Urins für den Nach- weis seines Eiweissgehaltes ein Moment von sehr grosser Bedeutung, auf welches nachdrücklich hinzuweisen ich noch Gelegenheit haben werde, indessen darf man darum nicht glauben, dass durch blosse Ein- engung des Urins selbst auf ein sehr hohes specifisches Gewicht, Eiweiss, was vorher nicht nachzuweisen war, nun jedes Mal ohne Weiteres entdeckt werden könnte. Dies ist keineswegs der Fall, wie man sich bei jedem in der gewöhnlichen Weise als eiweissfrei gefun- denen Urin durch Eindampfen überzeugen kann. Der Salzgehalt, welcher dadurch ja ebenfalls steigt, spielt bei dem Nachweis von Eiweiss gleichfalls eine Rolle und da die Menge der Salze bekanntlich in dem natürlichen Urin schon unter physiologischen Verhältnissen grossen Schwankungen unterworfen ist, so ist damit schon eine phy- siologische Bedingung gegeben, welche das Auffinden von Eiweiss im normalen Urin und zwar auch wenn er ein hohes specifisches Gewicht hat, erschweren kann. Dagegen gelingt es allerdings in dem ein- geengten Harn nach Ausfällen eines Theils seiner Salze (mit Alcohol) leichter Eiweiss zu entdecken, als vorher. Es scheinen aber noch andere physiologische Momente darauf hinzuwirken, dass ein Mal der Urin eiweisshaltig gefunden wird, andere Male wieder nicht. Meine eigenen Beobachtungen weisen mit Bestimmtheit darauf hin. Zuerst hatte ich schon seit Jahren gerade so, wie andere Beobachter, bei ganz gesunden Personen, insbesondere aber bei Reconvalescenten, oder bei Patienten, welche an unbedeutenden, gar nicht auf Nierenleiden zu beziehenden Beschwerden litten, Eiweiss im Urin hin und wieder gefunden, wodurch auch wohl der Verdacht auf eine „chronische inter- stitielle Nephritis" („genuine Schrumpfniere, Nierensclerose") geweckt wurde, ohne dass er doch in der weiteren Beobachtung eine Bestäti- gung fand. Sodann habe ich, aufmerksam gemacht durch dieses wechselnde Verhalten, bei mir und bei drei jüngeren Collegen (Assi- lieber den Eiweissgehalt des normalen Huin. 19 stellten des Augusta-Hospitals), die wir uns alle ungestörter Gesund- heit erfreuten, während längerer Zeit zu verschiedenen Tages- stunden den Urin untersucht und darin bei Jedem von uns das eine oder andere Mal Eiweiss gefunden, allerdings nur in schwachen Spuren, die vielleicht bei Anwendung weniger empfindlicher Proben nicht entdeckt worden wären.*) Irgend eine Regel liess sich dabei nicht erkennen schon aus dem Grunde, weil man mehrere Tage unter- suchen konnte, ohne ein einziges Mal Eiweiss zu entdecken, um es dann eines Tages wieder einmal und zwar vorübergehend zu finden. Am häufigsten noch fand ich es bei mir selbst in den Vormittags- stunden (11 — 1 Uhr), nur ausnahmsweise nach der Hauptmahlzeit in den Spätnachmittagsstunden. Bei dem einen der Collegen wiederum wurde es mehrentheils nach dem Mittagsessen gefunden, bei dem an- deren gleichfalls in der Verdauungsperiode, aber nur wenn reichlich Fleisch genossen war, bei dem letzten Collegen wurde überhaupt nur einige wenige Mal untersucht, da es genügte, festzustellen, dass auch hier vorübergehend der Urin sich eiweisshaltig erwies. Dass gerade während der Verdauung der Urin leicht eiweiss- haltig gefunden wird, ist von vielen Beobachtern angegeben worden, andere haben auch auf die Muskelarbeit als ein das Erscheinen von Eiweiss beförderndes Moment hingewiesen. Indessen sind w^ohl damit die physiologischen Bedingungen nicht erschöpft, wie ich nach meinen eigenen Beobachtungen zu vermuthen geneigt bin, ja ich möchte auf Grund derselben es nicht für unwahrscheinlich halten, dass, wenn man längere Zeit liindurch den Urin an verschiedenen Tagesstunden in sorg- fältiger Weise untersucht, man ihn bei jedem gesunden j\lenschen ein Mal eiweisshaltig finden kann. Wenn man freilich, wie es bisher ge- wöhnlich geschehen ist, die ganze zusammengegossene Tagesmenge des Urins oder einen grösseren Theil derselben untersucht, wobei der ge- ringe Eiweissgehalt einer Portion durch Vermischen mit anderen Por- tionen noch verdünnt ist, so kann natürlich selbst bei dieser längere Zeit fortgesetzten Untersuchung der Urin niemals, oder nur ausnahms- weise eiweisshaltig erscheinen. Es ist sehr zu wünschen, dass metho- disch fortgesetzte Untersuchungen des Urins von verschiedenen Tages- *) Um eine Täuschung durch Beimengung von Sperma oder Prostatassecret auszuschliessen , wurden die erst entleerten Portionen des jedesmaligen Urins nicht zur Untersuchung benutzt. 20 üeber den Eiweissgehalt des normalen Harn. Zeiten noch an einer grösseren Anzahl gesunder Menschen angestellt werden.*) Aber bleiben wir auch nur ein Mal bei den bisherigen Beob- achtungen stehen. Wenn, um nur die kleinsten von den vorhin angeführten Verhältnisszahlen zu nehmen, schon unter 8 bis 9 gesunden Menschen Einer sich findet, welcher ein Mal oder öfter Eiweiss im Urin ausscheidet, so kann man füglich die Albuminurie nicht mehr als eine unter allen Umständen krankhafte Erscheinung betrachten, sondern muss schon zugeben, dass, wenn sie nicht die Regel bildet, sie doch in die Breite des physiologischen Verhaltens fällt. Entweder ist Eiweiss in jedem Urin vorhanden, aber in wechselnder Menge, so dass es bald dem Nachweis mit den uns zu Gebote stehenden Mitteln entgeht, bald wieder, unter gewissen physiologischen Bedingungen, entdeckt werden kann, oder es fehlt zu gewissen Zeiten ganz und gar und tritt erst unter jenen Bedingungen im Urin auf. Von diesen beiden Annahmen scheint mir die erstere, dass nämlich der Urin immer Eiweiss enthalte, aber nur zeitweitweise in für uns erkennbaren Mengen, das Meiste für sich zu haben und vor der anderen den Vor- zug zu verdienen und zwar aus zwei Gründen. Einmal ist es ganz unbestreitbar, dass wir über eine gewisse Grenze hinaus Eiweiss im Urin nicht nachzuweisen vermögen, wo es dennoch zweifellos vorhan- den ist. Dafür liefert eigentlich schon jeder Urin, in welchem kein Eiweiss in der gewöhnlichen Weise zu entdecken ist, den Beweis. Denn es ist bekannt, dass jeder normale Urin beim Stehen nach einiger Zeit eine schwache wolkenartige Trübung („nubecula") zeigt, welche von dem Epithel der Harnwege herrührt und eiweisshaltig ist, wie sich durch Aufsammeln grösserer Mengen davon nachweisen lässt.'-^) Man könnte dagegen einwenden, dass dieses Eiweiss in ungelöster Forrh dem Urin beigemengt sei, allein auch wenn man dasselbe durch Zusatz von Natronlauge zur Lösung bringt, bekommt man im Urin, der vorher keine Eiweissreaction gab, auch nachher keine solche. Wir sind also durchaus berechtigt zu sagen, dass unsere jetzigen Hilfs- mittel nicht ausreichen, um allerkleinste Mengen von Eiweiss im Urin nachzuweisen und dass demnach ein Harn, in welchem sich kein Eiweiss entdecken lässt, dennoch Spuren davon enthalten kann. *) Auch bei unseren gewöhnhclien Versuchsthieren (Kaninchen, Hund, Katze) enthält der Harn sehr oft Spuren, nicht selten aber auch ansehnliche Mengen von Eiweiss bei scheinbar ungestörter Gesundheit. Ueber den Eiweissgehalt dos normalen Harns. 21 Zweitens aber sagt es unseren sonstigen Erfalirungen und Vorstel- lungen weit mehr zu, innerhalb physiologischer Grenzen quantita- tive Schwankungen einer Function anzunehmen, als qualitative Acndcrungen. Dass beispielsweise, um bei dem Harn zu bleiben, irgend einer seiner normalen Bestandtheile in grösserer oder geringerer Menge ausgeschieden wird, als zur Regel gehört, das sehen wir alltäglicli, sehr viel seltener dagegen, wenn überhaupt unter physio- logischen Verhältnissen, dass ein ganz neuer, im Urin sonst nicht vor- handener Stoflf zum Vorschein kommt, falls er oder eine Vorstufe von ihm nicht etwa in das Blut eingeführt wurde. Ja, wenn dergleichen scheinbar sich ereignet, d. i. wenn einmal im normalen Harn ein vorher darin unbekannt gewesener Körper aufgefunden wird, so sind wir von vorneherein geneigt, und das mit Recht, anzunehmen, dass er ein regelmässiger Bestandtheil des Harns, aber wegen zu geringer Menge oder wegen unzulänglicher Untersuchungsmethoden bis dahin unserer Kenntniss entgangen sei. Solche Erfahrungen sind noch in den letzten Jahrzehnten wiederholt mit verschiedenen Harnbestand- theilen gemacht worden. Ich hebe namentlich zwei von ihnen hervor, weil sie in der Pathologie eine ähnliche Rolle spielen wie das Ei- weiss, nämlich den Traubenzucker*) und die Oxalsäure. Wie viel ist nicht darüber gestritten worden, ob diese beiden Körper zu den normalen Bestandtheilen des Harns gehören, oder ob ihr Auftreten darin unter allen Umständen krankhaft sei! Jetzt weiss man, dass sie sich normaler Weise im Harn finden, allerdings in so geringfü- gigen Mengen, dass es zu ihrem Nachweis grosser Massen Urins und besonders empfindlicher Methoden bedarf und man weiss, dass sie unter Umständen, und zwar unter physiologischen Umständen, auch in grösseren, leichter nachweisbaren Mengen 'erscheinen, dass es also eine physiologische Glycosurie und Oxalurie giebt. Warum sollten nicht gerade so, wie es sich hier anerkannter Maassen um die physiologische Steigerung einer normalen Ausscheidung von Zucker oder Oxalsäure handelt, auch jene Fälle von Eiweissausscheidung bei *) Nach den neuesten Untersuchungen können die auf Zucker im Urin bezogenen Reactionen auch von Glycuronsäur e herrühren. Für unseren Gegen- stand ist dies gleichgültig, da der Zucker hier nur des Vergleichs wegen heran- gezogen ist und es überdies ausser ihm und der Oxalsäure noch eine Menge an- derer Körper giebt. von denen das oben Gesagte in ganz gleichem Maasse gilt, SO: Hippursäure, Glycerinphosphorsäure, Inosit, Xanthin, iudoxyl- schwefelsaures Kali (Indicau), Phenole, Brenzcatechin etc. 22 Ueber den Eiweissgelialt des normalen Harns. gesunden j\Ienschen nur die physiologische Steigerung eines normalen Vorganges darstellen? Nichts hindert uns anzunehmen, dass es eine physiologische Albuminurie giebt, die ebenso zu Stande kommt, wie die physiologische Glycosurie, Oxalarie oder andere physiolo- gische Steigerungen schwer auffindbarer normaler Harnbestandtheile, nämlich dadurch, dass sie unter gewissen Bedingungen in grösseren, besser nachzuweisenden Mengen auftreten. Die Verhältnisse liegen in dieser Beziehung für das Eiweiss durchaus nicht ungünstiger als für andere Körper. Denn was zunächst die Herkunft des Harneiweisses in allen diesen Fällen betrifft, so fehlt es ja an einer sehr eiweissreichen Quelle nicht. Es ist dies selbstverständlich das in den Knäuelgefässen fliessende Blut, da an das Blut des interstitiellen Gefässsystems oder an die Nierenlymphe, oder sonst an eine andere Q.uelle unter nor- malen Verhältnissen nicht zu denken ist, was keiner Auseinander- setzung weiter bedarf. Das Ei weiss müsste also aus dem Blute der Knäuelgefässe stammen. Bekanntlich entspricht dies zum Theil jener Theorie der Harnabsonderung, welche von Küss -^), v. Wittich 2'') und Henle -^) vor langer Zeit aufgestellt worden ist, welche aber wenig Anklang und vielen Widerspruch gefunden hat und zwar erstens, weil es Schwierigkeiten machte, das Fehlen des Eiweisses im fertigen, normalen Harn zu erklären, sodann, weil sie zu der Entdeckung von der geringen Diifusibilität des Eiweisses, als einer colloiden Substanz, wenig passte. Dem ersten Grund kann nach dem, was über die physio- logische Albuminurie gesagt worden ist, kein Gewicht mehr beigelegt werden, denn der Urin wird thatsächlich auch in der Norm oft eiweiss- haltig gefunden, wenn nur in zweckmässiger Weise darauf hin unter- sucht wird und es ist alle Ursache anzunehmen, dass das Eiweiss ein normaler, wenn auch nicht immer nachweisbarer Harnbestandtheil sei. Was das andere Bedenken, die geringe Diffusions- und Filtrations- fähigkeit des Eiweisses betrifft, so hat man es, wenigstens in dieser Ausdehnung, sehr bald aufgeben müssen, da man überall im Körper Membranen für Eiweiss durchgängig fand. Dagegen hat man in neuester Zeit das Hinderniss für den Eiweissdurchtritt aus den Knäuel- gefässen in dem Epithelbelag dieser Gefässe zu finden geglaubt und in diesem Sinne äussern sich jetzt Alle, welche das Fehlen des Ei- weisses in der die Gefässknäuel verlassenden Flüssigkeit erklären wollen, so insbesondere, wie schon Eingangs erwähnt worden, Rune- Ueber den EiweissgchaU des normalen Harns. 23 berg, Heidenhain, Cohnheira.*) Nichts erscheint einfacher und verständlicher als diese Erklärung, und sie wäre sofort annehmbar, wenn sie nur über irgend eine Schwierigkeit hinweghelfen könnte und mit den Thatsachen in nicht gar zu grellem Widerspruch stände. Zuerst mit der bekannten Thatsache, welche überall und bei jeder Gelegenheit, nur nicht bei dieser, hervorgehoben wird, dass Hühner- eiweiss ohne Schwierigkeit in den Harn übergeht und zwar, wie Nussbaum beim Frosch, Ribbert beim Kaninchen nachgewiesen hat, auf dem Wege durch die Gefässknäuel. Die Erklärung dafür wird in der leichteren Filtrirbarkeit des Hühnereiweisses ge- sucht, eine Erklärung, die noch Niemand bisher beanstandet hat, und dasselbe gilt für Pepton. Diese leichtere Filtrirbarkeit ist beiläufig an todten thierischen Häuten nachgewiesen. Nun liegt es auf der Hand, dass, wenn es bei jenen Zellen nur auf die grössere oder ge- ringere Filtrationsfähigkeit ankommt, gar nicht einzusehen ist, wie sie für die normalen Eiweisskörper des Blutes vollständig undurch- gängig sein sollten. Denn das bezweifelt doch wohl Niemand, dass auch diese Eiweisskörper filtrirbar sind, zumal aus Salzlösungen, wie das Serum eine solche darstellt. Man wird also zu der Annahme gedrängt, dass auch sie durch die Knäuel filtriren, aber in einer ihrer schweren Filtrirbarkeit entsprechenden äusserst geringen Menge. Betrachten wir dann aber die Epithelien selbst, denen die Auf- gabe der Eiweisszurückhaltung zugetheilt wird, näher. Es sind dies nach der Geburt äusserst platte, dünne Zellen, welche den Endothelien seröser Häute am nächsten stehen. „Diese Epithelbekleidung," sagt Cohnheim, „ist etwas dem Glomerulus ganz Eigenthümliches, was eine entfernte Analogie höchstens noch in der Endothelmembran hat, *) Eine andere Ansicht spricht Ribbert in seiner kürzlich erschienen Ar- beit über Nephritis und Albuminurie aus-^). Er legt der Epithelbekleidung der Gefässknäuel keine Bedeutung in dieser Beziehung bei, sondern meint, dass diese Capillaren, welche nach ihm fast ganz kernlos sein sollen, eine grössere Cohäsion als andere Capillaren haben und deshalb kein Ei weiss durchtreten lassen. Diese Ansicht hat wenig Wahrscheinlichkeit, selbst wenn man die ganz vereinzelt da- stehende Angabe R.'s von der Kernarmuth jener Capillaren als richtig anerkennen will. Es giebt erstens überhaupt keine Capillaren, welche für Eiweiss undurch- gängig sind, sodann haben Durchströmungsversucho an todten und überlebenden Nieren in Betreff des Eiweissaustritts auch keinen Unterschied zwischen diesen und anderen Organen ergeben und endlich haben die Untersuchungen von From- mann, sowie von Riemer über Argyria gezeigt, dass Silberlösungen die Knäuel- gefässe ebenso durchdringen, wie andere Gefässe. ^°) 24 Ueber den Eiweissgelialt des normalen Harns. welche den Plexus choroides, die Absonderungsstätte der nahezu eiwei SS freien Cerebrospinalflüssigkeit, überzieht." *) Wenn hier wirk- lich eine wenn auch entfernte Analogie vorliegt, so ist wohl der ein- zige daraus abzuleitende Schluss der, dass auch die Ca^illaren in den Bowman- Müller 'sehen Kapseln eine „nahezu", aber nicht voll- kommen eiweissfreie Flüssigkeit austreten lassen. Und zu diesem Schluss werden wir um so mehr berechtigt sein, als er ganz und gar in Einklang steht mit unseren Kenntnissen von den anderen normalen (und beiläufig auch abnormen) Transsudaten, welche durch Capillaren und Epithelmembranen zugleich hindurchtreten und sämmtlich ohne Ausnahme Eiweiss in verschieden grosser Menge enthalten. Nicht blos die Cerebrospinalflüssigkeit enthält Eiweiss, sondern die Trans- sudate aller serösen Häute, die doch eine Epitheldecke haben, sind eiweisshaltig und zwar schon in der Norm, wie sich namentlich an der Herzbeutelflüssigkeit erkennen lässt, da in den meisten anderen Säcken sich normaler Weise zu wenig Flüssigkeit findet. Der Humor aqueus, welcher in die ganz mit Epithel ausgekleidete vordere Augen- kammer transsudirt, enthält Eiweiss, die Peri- und Endolymphe des Gehörlabyrinths, die von den sie absondernden Capillaren ebenfalls durch Epithel getrennt sind, enthalten Eiweiss. Genug alle normalen Transsudate, von den abnormen ganz zu schweigen, enthalten Eiweiss und wo immer im Körper Flüssigkeit ohne Dazwischenkunft specifischer Drüsenepithelien aus dem Blut austritt, da enthält sie Eiweiss, auch wenn sie ausser der Capillarwand noch eine Epithel- auskleidung zu durchdringen hat. Es wäre also wunderbar, wenn die aus den Knäuelgefässen der Niere austretende Flüssigkeit nicht eiweisshaltig wäre. Freilich nehmen wir an, dass diese Flüssigkeit wirklich nur ein Transsudat, d. h. durch Filtration ausgepresst, nicht aber ein Se- cretionsproduct sei, und befinden uns damit wohl in Ueberein- stimmung mit der allgemeinen Meinung**). Nur Heidenhain hat in *) Der Eiweissgehalt dieser Flüssigkeit beträgt 0,3 — 3,0 per Mille. **) Runeberg, welcher ganz richtig auf den Eiweissgehalt aller normalen und pathologischen Transsudate hinweist, behauptet gleichwohl und im Wider- spruch damit, dass Epithelmembranen dem Eiweiss keinen Durchgang gestatten und beruft sich zum Beweis dafür auf die Thränen und den Schweiss. Allein diese sind beide keine Transsudate, sondern Secrete. Uebrigens ist, wie beiläufig bemerkt sei, in beiden auch schon Eiweiss gefunden worden. 'Ueber den Eiweissgehalt des normalen Harns. 25 allerjüngster Zeit abweichend davon die Ansicht ausgesprochen, dass der in Rede stehende Absonderungsvorgang eine wirkliche Secretion, wie diejenige anderer Drüsen sei, indeni die Wasserausscheidung in der Niere auf einer activen Thätigkeit jener Zellen der Knäuelgefässe beruhe, deren Maass durch die Menge des in der Zeiteinheit sie trän- kenden Blutes bestimmt werde. Die Function dieser Zellen sei demnach: Wasser (nebst den das Wasser überall begleitenden Salzen) abzusondern und dem Eiweiss des Blutes den Durchgang zu versagen. Bei Störung dieser Function, wie sie schon durch eine kurze Unterbrechung der arteriellen Zufuhr eintreten könne, werde die Wasserabsonderung spar- samer und das Absonderungsproduct eiweisshaltig. Heidenhain selbst verhehlt sich das Bedenkliche dieser seiner Annahme nicht, und in der That hat es allein schon grosse Bedenken, solchen Epi- thelien, wie sie die Knäuelgefässe überziehen, mit einer von allen bekannten Drüsenzellen ganz abweichenden Beschaffenheit, eine secer- nirende Drüsenthätigkeit zuzuschreiben. Mehr aber noch spricht gegen diese Annahme das Verhalten der Nierenabsonderung bei Stei- gerung des Blutdrucks ohne Verminderung der arteriellen Zufuhr, wie sie entweder durch Hindernisse im Venenabfluss bei un- gestörter Herzthätigkeit, oder durch active Congestion, bei Wallungs- zuständen, ohne gehinderten Abfluss zu Stande kommt. Im ersteren Fall ist die Stromgeschwindigkeit verlangsamt, im zweiten beschleu- nigt. Nach Heidenhain müsste die Stromverlangsamung eine Stö- rung der Ernährung und der Function jener Epitheliei^ und in Folge davon: Verminderung der Harnmenge und Auftreten von Eiweiss be- wirken. Im zweiten Fall müsste vermehrte Absonderung eines eiweiss- freien Harns die Folge sein. So verhält es sich aber in Wirklichkeit nicht. Der erste Fall, Drucksteigeruhg mit Stromverlang- samung, ist experimentell sehr leicht durch gänzliche oder theilweise VerSchliessung der Nierenvene oder auch der unteren Hohlader zu er- zielen, doch ist es schwer dabei über die Veränderungen der Harn- menge ein sicheres Urtheil zu gewinnen, nur dass der^^ürin danach eiweisshaltig wird, ist mit Sicherheit festgestellt. Bei Menschen, wo es leichter wäre die Veränderungen der Harnmenge zu beobachten, kommen Verschliessungen der~ Nieren vene oder unteren Hohlader sehr selten vor und auch dann fast immer unter Verhältnissen, bei denen der arterielle Blutdruck herabgesetzt ist, wie bei der marantischen Thrombose oder der Verschliessung durch Carcinome u. dgl. Nur in ganz 26 Ueber den Eiweissgehalt des normalen Harns. vereinzelten Ausnahmen hat nian eine Hemmung im Abfluss des Nierenblutes bei gut erhaltener Herzthätigkeit und normalem Arterien- druck beobachtet. Eine solche Beobachtung verdanken wir Bartels.^*) Hierbei handelte es sich um behinderten Abfluss des Merenvenenblutes durch Thrombosirung der unteren Hohlader bei'^einem sehr robusten 44jähr. Mann, nicht also um die gewöhnliche Stauung in Folge mangelhafter Herzthätigkeit, wobei ja der arterielle Druck herabgesetzt ist. Nun, in diesem Falle entleerte, wie Bartels an- giebt, der Kranke „reichliche Mengen" (durchschnittlich 1640 Gern, täglich trotz stärkster Oedeme!) eines gewöhnlich deutlich blutig ge- färbten Harns, dessen specifisches Gewicht zwischen 1,011 und 1,013 schwankte, welcher stets viel Eiweiss und ein Sediment von rothen Blutkörperchen, von Epithelialschläuchen und Harn- cylindern enthielt. Dieser Fall spricht lauter als irgend ein Experi- ment gegen Heidenhain's Ansicht von der Function jener Epithelien. Denn trotz der Stromverlangsamung, die ja offenbar vorhanden war, nahm die Harnmenge nicht ab, sondern eher noch zu. Nach unserer Vorstellung, welche auch Bartels zur Erklärung herbeizieht, erklärt sich beides, die vermehrte Harnmenge und das Austreten von Eiweiss und Blut, einfach durch den erhöhten Druck in den Knäuelgefässen. Es giebt noch andere klinische Erfahrungen, die gegen die Annahme Heidenhain's sprechen, wenn auch nicht so schlagend, wie die eben angeführte Beobachtung, weil die Verhältnisse nicht ganz so einfach liegen. Aber Sie verdienen immerhin angeführt zu werden. So ist es eine bekannte Thatsache, dass in gewissen Stadien chronischer Ne- phritis und Nierensclerose ein sehr wasserreicher und dabei mehr oder weniger eiweisshaltiger Urin abgesondert wird, während nach- weislich die Gefässknäuel zu einem grossen, ja zum grössten Theil verödet sind, und ihr Epithelbelag vollends untergegangen ist. Von diesen kann hier gewiss keine Wassersecretion ausgegangen sein. Der zweite Fall, Steigerung des Blutdrucks mit Beschleuni- gung der Stromgeschwindigkeit, ist experimentell sowohl wie klinisch öfter zu beobachten und wird später noch ausführlich be- sprochen werden. Hier ist vor der Hand nur Das hervorzuheben, dass unter diesen Umständen, wo von irgend einer Ernährungs- und Func- tionsstörung doch nicht im Entferntesten die Rede ist, Albuminurie eintreten kann, was mit der Ansicht Heidenhain's gar nicht zu ver- einigen ist, sich aber aus der Filtrationstheorie sehr leicht erklärt. Ueber den Eiweissgehalt des noriiitileu Harns. 27 Warum die Albuminurie nicht in jedem Ftill einer derartigen Druck- «teigerung nachweisbar ist, wird später an der betreffenden Stelle aus- einandergesetzt werden. (S. III.) Nach Alledem darf man also die allgemein angenommene und der obigen Darstellung zu Grunde gelegte Ansicht, dass die aus den Knäuelgefässen austretende Flüssigkeit ein nach den Filtrationsgesetzen gebildetes Transsudat, nicht aber ein Drüsensecret sei, ohne jedes Bedenken als die richtige annehmen. In dieser Beziehung stehe ich auf dem Boden von Ludwig's Theorie der Harnabsonderung, nur dass ich .abweichend von Ludwig das Filtrat für nicht ganz eiweissfrei halte. Dagegen erkenne ich in anderer Beziehung Heidenhain's Theorie vollständig an, insofern nämlich als er den Epithelien der Harncanälchen eine Secretionsthätigkeit für gewisse specifische Harn- bestandtheile zuschreibt. In dieser Vereinigung beider Theorien lassen sich, wie mir scheint, alle Schwierigkeiten, welche namentlich die einfache Filtrationstheorie bietet, und welche Heidenhain zu der Annahme von der Wasser absondernden Thätigkeit des Epithelbelags der Knäuel geführt haben, befriedigend beseitigen, wie ich an einem anderen Orte zeigen werde. Zum Verständniss des E'olgenden sei hier nur angeführt, dass meiner Ansicht nach die allgemeine und jeder Theorie bisher zu Grunde gelegte Annahme, als ob normaler Weise das Wasser des Harns lediglich von den Knäuelgefässen geliefert werde, durchaus unhajltbar und vielmehr anzunehmen ist, dass jene Gefässe nur den einen, und zwar wohl grösseren Theil des Wassers liefern, der andere Theil aber von den wirklich secretorischen Elementen der Niere, den Epithelien der Harncanälchen geliefert wird. Dies geht ein- fach schon daraus hervor, dass eine Drüsensecretion ohne Wasser nicht wohl denkbar ist oder höchstens in der Art, dass der ganze Abson- derungsvorgang in nichts weiter bestehe , als in einer Verfettung der Epithelien etwa wie bei der Bildung des Hauttalgs. Daran ist aber in der Niere nicht zu denken. Zudem ist durch Nussbaum^-) der directe Beweis für die Wasser absondernde Thätigkeit dieser Epithe- lien, d. h. derjenigen, welche die Harncanälchen auskleiden, erbracht worden. Das Wasser des Harns stammt also aus zwei Quellen und wird zum Theil transsudirt, zum Theil secernirt. Es ist für die Er- klärung des wechselnden Verhaltens des Urins unter verschiedenen Bedingungen wichtig, sich Dies zu vergegenwärtigen. Wenn also die aus den Knäueln austretende Flüssigkeit ein 28 Ueber den Eiweissgehalt des normalen Harns. Transsudat ist, so sollte sie in Betreff des Eiweissgehaltes eine Aus- nahme von allen anderen Transsudaten bilden? Nun, allerdings machen die Knäuelgefässe eine Ausnahme, denn in ihnen ist der Seitendruck stärker als in irgend einem Capillar- system des ganzen Körpers. ^ Wir wissen aber, dass unter sonst gleichen Bedingungen die aus einer Eiweisslösung durch thierische Häute filtrirende Eiweissmenge mit steigendem Druck zunimmt, allerdings nicht proportional der Drucksteigerung. Und zwar ist die Zunahme eine absolute, nicht aber eine relative im Verhältniss zur Gesammtmenge des in der Zeiteinheit durchgegangenen Filtrats, weil die Filtrationsmenge des Wassers mit steigendem Druck in stärkerem Maasse wächst, als die des Eiweisses. Mit andern Worten: je grösser der Filtrations- druck, um so grösser ist im Allgemeinen die Menge des Filtrats und um so kleiner ihr procentischer Eiweissgehalt, doch so, dass die Gesammtmenge des filtrirten Eiweisses in gleichen Zeiten grösser ist bei höherem Druck als bei niedrigerem. Für die Knäuelgefässe folgt daraus, dass sie ein an "Wasser reicheres, aber an Eiweiss ärmeres Transsudat liefern müssen, als irgend ein Capillarbezirk des ganzen Körpers. Man hat die üebertragung der Filtrationsgesetze, wie sie an thierischen Häuten ausserhalb des Körpers gefunden worden sind, auf die Transsudation im lebenden Körper für unstatthaft erklärt unter Hinweis auf das Verhalten des Lymphstroms und der Lymphbildung, welche, wie die aus Ludwig" s Laboratorium hervorgegangenen Unter- suchungen gelehrt haben, nicht einfach den Druckveränderungen folgen. Allein, wenn auch die Lymphbildung mit der Transsudation aus den Capillaren im innigsten Zusammenhang steht, so kann doch die Lymphe, ■ welche aus dem eröffneten Stamm eines Lymphgefässes fliesst, nicht als ein einfaches Transsudat betrachtet werden und ebensowenig darf man die Stromverhältnisse in einem solchen Gefäss kurzweg auf die Transsudation aus den Capillaren übertragen. Die Flüssigkeit, welche aus einem Lymphgefäss ausfliesst, unterscheidet sich von Transsudaten, wie sie durch Stauung in jedem Gefässbezirk sich ausbilden können, sehr wesentlich und in vielen Stücken. In morphologischer Beziehung ist es z. B. der Reichthum an farblosen Zellen, der die „Lymphe- auszeichnet und vollends in chemischer Beziehung sind sich „Lymphe" und Transsudat sehr unähnlich. Jedermann weiss, dass die „Lymphe„ Ueber den Eiweissgehalt des normalen Harns. 29 an der Luft gerinnt, während die eigentlichen Transsudate niemals gerinnen, es sei denn, dass sie mit Blut oder „Lymphe" oder Ent- ziindungsprodukten vermischt wären. Die Transsudate enthalten alle mit einander gar kein Kali oder höchstens verschwindend kleine Spuren davon, gerade so wenig, wie das Blutserum, wenn jede Ver- unreinigung desselben mit Blutkörperchen vermieden wird, die Lymphe dagegen enthält stets und zwar nicht wenig Kali, so nach der be- kannten Analyse von Heusen und Dähnhardt mehr als 3 pCt. ilirer Asche ^•^). Man sollte meinen, dass diese Unterschiede schon hinreichend die Verschiedenheit beider Flüssigkeiten bekunden und nahelegen, dass ihre Quellen woiil zum Theil, aber nicht vollständig gemeinsame sind. — Dass man ferner von dem Abfluss aus einem geöffneten Lymphgefäss nicht ohne "Weiteres auf genau dasselbe Ver- halten der Transsudati on schliessen darf, beweist z. B. die Thatsache, dass der Abfluss aus einem solchen Gefässe nach einiger Zeit ganz aufhört, während man doch nicht annehmen kann, dass die Transsu- dation aufgehört hat, beweist ferner die Thatsache, dass man den stockenden Lymphstrora durch active und sogar durch passive Be- wegungen, durch Streichen wieder in Gang bringen kann, wodurch doch wohl die Transsudation nicht beeinflusst wird. Endlich wird dies durch die Thatsache bewiesen, dass selbst die gänzliche Absperrung sämmtlicher Lymphbahnen eines Körpertheils für sich allein niemals Oedem dieses Theiles zur Folge hat. ^*) Wenn der Strom in einem Lymphgefässstamm Nichts weiter wäre als der Ausdruck der Trans- sudation aus den Capillaren, so sollte man wohl erwarten, dass nach seiner Absperrung sich ein Transsudat ansammeln und ein Oedem ent- stehen würde. Alle diese Thatsachen beweisen vielmehr, dass der Lymphstrom für die Transsudation ganz unwesentlich ist und also auch über deren Verhalten nicht durchaus sicheren Aufschluss geben kann. Die Lymphgefässe dienen nur als Aushülfe für die Venen. Fliesst ihr Strom reichlicher, so bedeutet dies, dass die Venen für die Fortschaffung des Transsudates nicht ausreichen, aber keineswegs be- deutet die Abnahme des Lymphstromes, so lange der Venenfluss frei ist, dass die Transsudation ebenfalls abgenommen hat, denn die Venen können ihre Resorptionsthätigkeit und die Fortschaffung trans- sudirter Flüssigkeit weit über die Norm steigern, wie schon das Aus- bleiben des Oedems bei aufgehobenem Lymphstrom beweist, die Venen 30 Ueter den Eiweissgelialt des normalen Harns. können ohne die Lymphgefässe ihrer Aufgabe, die transsudirte Flüssig- keit fortzuschaffen gerecht werden, nicht aber diese ohne jene. Da- her ist das Ausbleiben des Oedems bei Steigerung des arteriellen Drucks, wenn der Venenstrom frei ist, kein Beweis dafür, dass die Transsudation nicht gesteigert ist. Die Transsudation ist gesteigert, aber auch die Stroragesch windigkeit und die Fortschaffung des Transsudats durch die Venen, und nur in seltenen Fällen, wenn diese nicht ausreicht, wird auch noch der Lymph- stroni reichlicher.^^) Dies sind durch das Experiment sichergestellte Thatsachen, mit denen auch alle pathologischen Thatsachen übereinstimmen. Ausser-^ dem lehrt die tägliche Erfahrung am Krankenbett ganz unzweideutig, dass die Bildung von Transsudaten, Oedemen, in directer Abhängig- keit von dem Druck im Capillarsystem steht, und dass namentlich die Menge der transsudirenden Flüssigkeit mit dem Drucke steigt und fällt. Abweichend von dieser Darstellung ist die vor wenigen Jahren von Runeberg vorgetragene Ansicht, nach welchem im Gegensatz zu der allgemeinen Annahme als Ursache des Eiweissdurchtritts durch thierische Häute die Herabsetzung des Drucks unter die nor- male Höhe hingestellt wird. Diese Ansicht ist wohl, wie von Heidenhain gezeigt worden ist, darauf zurückzuführen, dass R. seine eigenen Versuche irrig aufgefasst hat. Denn bei richtiger Würdigung, bei Auseinanderhaltung des absoluten und relativen Eiweissgehaltes stehen sie mit dem hier dargestellten Gesetz in guter Uebereinstimmung und bestätigen dasselbe ebenso, wie, von älteren Untersuchungen zu schweigen, in neuester Zeit die Untersuchungen von D. Newman^^), Gottwalt^^), V. Bamberger^^) und wie zahlreiche klinische Erfahrun- gen. Wenn die letzteren auch nicht alle einfach und durchsichtig genug sind, um als Beweise zu gelten, so stehen sie doch mit unserer Darlegung durchaus in Einklang, fügen sich dagegen schwer, oder nur unter sehr gezwungenen und zum Theil nicht zutreffenden Voraus- setzungen der Auffassung Runeberg's, wie am besten aus dessen Versuchen, alle Formen von Albuminurie danach zu erklären, hervor- geht und wie im weiteren Verlauf dieser Abhandlung öfters sich zeigen wird. Hier mag nur auf die gewiss eindeutige, sehr bekannte Erfahrung über den Ascites, welcher bei Drucksteigerungen der Pfortader entsteht, hingewiesen werden, während er nach Runeberg Ueber den Eiweissgehalt des normalen Harns. 31 entstehen raüsste, wenn der Druck in der Pfortader unter den nor- malen sinkt. Dies berücksichtigt Runeberg gar nicht, sondern er bespricht nur die Thatsaclie, dass wenn ein Erguss in die Bauchhöhle erst einmal eingetreten ist, der Eiweissgehalt dieses Transsudats mit steigender Füllung der Bauchhöhle zunimmt, wobei ja allerdings der Unterschied zwischen dem Druck innerhalb und ausserhalb der Blut- gefässe, also der Filtrationsdruck abnimmt. Diese Erscheinung, welche er zu Gunsten seiner Ansicht glaubt deuten zu können, hat aber schon durch F. Hoppe (Seyler) ihre einfache Erklärung im Sinne der all- gemein herrschenden Anschauung über den Einfluss des Drucks ge- funden. Es wird nämlich mit steigendem Druck die Resorption von AVasser stärker und die Flüssigkeit concentrirter und damit steigt natürlich auch ihr Eiweissgehalt 3^). Nichtsdestoweniger kann man in einem gewissen Sinne Rune- ber g's Behauptung, dass Albuminurie durch Abnahme des Blutdrucks in der Niere entsteht , gelten lassen , allerdings nicht so , wie er es meint, dass nun erst Eiweiss durchtritt, wo es vorher nicht durch- getreten ist, sondern dass dabei verhältnissmässig weniger Wasser durchgeht, der Eiweissgehalt also stärker und daher die Eiweiss- transsudation deutlicher wird, so zu sagen erst zur Erscheinung kommt. Die Druckabnahme ist also ein begünstigendes Moment für die Entdeckung des Eiweissaustritts. iVusserdem wirkt die Druck- abnahme noch begünstigend auf das Erscheinen von Eiweiss durch ihren Einfluss auf den zweiten bei der Harnbildung betheiligten Factor, welchen Runeberg, ebenso wie alle Anderen, welche sich mit der Erklärung der Albuminurie beschäftigten, ausser Acht gelassen haben, nämlich auf das Secret der Epithelien der Harncanälchen. Es wird später ausführlich nachgewiesen werden, wie die Albuminurie bei Abnahme des Blutdrucks durch die vereinigten Wirkungen derselben auf beide Factoren zu Stande kommt (S. HL). Hier haben wir es zunächst vielmehr mit dem Nachweis zu thun, wieso unter den normalen Ver- hältnissen Albuminurie d. h. ein nachweislicher Eiweissgehalt des Harns, so gewöhnlich nicht entsteht und in dieser Beziehung ist eben auch der zweite Factor, das Secret der wahren Drüsenepithelien von Wichtigkeit. Dieses Secret, welches die sogenannten specifischen Harnbestand- theile in wässeriger Lösung enthält und, was bei den herrschenden Anschauungen wohl keines Beweises bedarf, frei von Eiweiss ist, tritt 32 Ueber den Eiweissgehalt des normalen Harns. in den Harncanälchen zu dem, wie wir gesehen haben, äusserst eiweiss- armen Transsudat der Knäuelgefässe hinzu. Nachweislich findet irgend ein Zuwachs an Eiweiss auf diesem weiteren Wege durch die Harncanälchen, das ist wohl ganz sicher, nicht statt und es ist auch gar kein Grund anzunehmen, dass der Inhalt derselben etwa durch Resorption von Wasser mit oder ohne Salze relativ reicher an Ei- weiss werde. Bekanntlich ist die Frage, ob überhaupt eine Resorption von den Harncanälchen aus stattfinde, wie sie die Ludwig'sche Theorie der Harnabsonderung verlangt, nicht entschieden, wird aber jetzt im Allgemeinen verneint und zwar mit guten Gründen. Gleichwohl wäre es nicht undenkbar, dass eine Resorption, wenn auch nicht in allen Abschnitten der Harncanälchen, aber doch vielleicht in demjenigen Theil derselben stattfände, welcher in dem an Venen und Lymph- gefässen so reichen Nierenmark gelegen ist, also in den geraden Canälchen und den auf- und absteigenden Schenkeln. Aber selbst in diesem Fall ist nicht zu erwarten, dass gerade gelöstes Eiweiss von der Resorption sollte ausgeschlossen bleiben. Denn wenn die Re- sorption sich auf alle Theile des flüssigen Inhalts der Harncanälchen erstreckt, so ist das Eiweiss ja auch dabei, findet aber, wie es im Sinne der Ludwig'schen Theorie sogar nothwendig wäre, eine Re- sorption mit Auswahl der Stoffe statt, wobei die specifischen Harn- "bestandtheile ausgeschlossen werden, so müsste das Eiweiss gewiss mit zur Resorption gelangen. Denn dieses gehört am allerwenigsten zu irgend welchen specifischen ßestandtheilen und wird, überall wo eine Resorption stattfindet, anstandslos resorbirt, wenn es in Lösung und nicht etwa blos aufgeschwemmt vorhanden ist. Der fertige Harn, welcher also eine Mischung des Transsudats der Knäuelgefässe und des Secrets der Harn- canälchen darstellt, wird demnach im Ganzen wahrschein- lich concentrirter, d. h. reicher an anderen festen ßestand- theilen, an Eiweiss aber noch ärmer sein, als jenes schon eiweissarme Transsudat, dessen Gehalt an Eiweiss noch wieder unter dem niedrigsten Procentsatz irgend eines Transsudates stehen muss. Setzen wir den procentischen Eiweiss- gehalt des Kapseltranssudats gleich a und die Menge des zu dem- selben hinzutretenden Drüsensecrets gleich n, so wird, wenn keine Resorption stattfindet, in dem fertigen Harn der Eiweissgehalt nur Ueber den Eiweissgehalt des normalen Harns. 33 noch - — j — , betragen. Es wird darnach nicht schwer zu begreifen 1 ~r ^^ 100 sein, dass der Nachweis von Eiweiss im normalen Harn auf Schwierig- keiten stösst. Ferner wird es begreiflich sein, dass schon in der Norm Verschiedenheiten vorkommen und die Entdeckung von Eiweiss ein Mal gelingt, während sie ein anderes Mal misslingt. Nicht blos, dass in den Gefässknäueln, was ja keinen Augenblick bezweifelt wer- den kann, unter physiologischen Bedingungen der Druck wechselt, also ihr Transsudat bald mehr, bald weniger Eiweiss enthalten wird, so fliesst ja auch, was nach Analogie aller anderen Drüsen ebenso wenig zweifelhaft ist , der auf wirklicher Drüsensecretion beruhende Antheil der Harnabsonderung unter physiologischen Bedingungen bald reichlicher, bald spärlicher. Je ergiebiger die Thätigkeit der Drüsen- epithelien, um so ärmer wird unter sonst gleichen Bedingungen der fertige Harn an Eiweiss sein und um so schwieriger der Nachweis und umgekehrt. Und so lassen sich aus dem schon unter physiolo- gischen Bedingungen wechselnden Verhalten der beiden Quellen des Harns verschiedene Combinationen denken, durch welche der Nach- weis von Eiweiss leicht oder schwer und unmöglich, also eine Albu- minurie nachweisbar wird, oder nicht, je nachdem beide Quellen in Bezug auf den Eiweissgehalt des fertigen Harns in demselben Sinne wirken oder in entgegengesetztem. Zunahme des Filtrationsdrucks in den Gefässknäueln und der Secretion in den Epithelien wird Fehlen von Albuminurie (d. h. nachweisbarer Eiweissausscheidung) be- dingen, Abnahme beider das Eintreten derselben, Zunahme des einen, Abnahme des anderen kann je nach dem überwiegenden Einfluss das Eine oder Andere zur Folge haben, wie später noch an besonderen Fällen gezeigt werden wird (S. 38 ff.). Wenn man endlich noch in Bezug auf Filtration und Secretion individuelle Verschieden- heiten dazu nimmt, die man ja bei ungleichem Verhalten verschie- dener Individuen in physiologischen und pathologischen Verhältnissen so häufig eine Rolle spielen lässt und nicht mit Unrecht, so bietet das Verständniss der Schwankungen bei der physiologischen Albu- minurie wohl kaum eine Schwierigkeit. Alle bisherigen Erörterungen, alles Thatsächliche und die daraus abgeleiteteten Schlussfolgerungen vereinigen sich also in der Annahme, dass normaler Weise eine an Eiweiss ungemein arme Flüssigkeit in die Bowman-Müller'schen Kapseln transsudirt und dass von dem H. Senator: Die Albiiiiiinuric. o 34 Üeber den Eiweissgehalt des normalen Harns. Eiweissgehalt eben dieser Flüssigkeit die physiologische Albuminurie abhängt. Eine Annahme ist allerdings kein direoter Beweis, aber in Ermangelung eines solchen hat sie ihre volle Berechtigung, so lange niclit erwiesen ist, dass in den thatsächlichen Beobachtungen, welche ilir zu Grunde liegen, ein Irrthum obwaltet, oder dass Erfahrungen und Analogien mit Unrecht als Stütze herangezogen sind, oder bis gar der directe gegentheilige Beweis erbracht ist. Bis vor Kurzem galt es für unmöglich, durch directe Beobachtung oder Untersuchung der in den Bowm an -Müller 'sehen Kapseln enthaltenen Flüssigkeit den Beweis dafür zu bringen, dass dieselbe eiweisshaltig sei, oder nicht. Posner hat das Verdienst durch Einführung der vorzüglichen Kochmethode in dieser Beziehung einen Weg zur directen Beobachtung jenes Trans- sudates gezeigt zu haben und ihm verdanken wir den sicheren Nach- weis, dass in vielen Fällen pathologischer Albuminurie die Quelle der Eiweissausscheidung, was früher nur mehr oder weniger sicher ver- muthet werden konnte, die Knäuelgefässe sind. xAber Posner ist noch weiter gegangen, indem er den sicheren Beweis auch dafür geliefert zu haben glaubt, „dass die Niere normaler Weise nicht albuminurisch ist, d. h. dass keine Eiweisskörper aus den Blutgefässen der Glome- ruli transsudiren." Er glaubt dies, weil er in normalen Nieren keine Eiweissausscheidung in den Kapseln hat wahrnehmen können, aber hier überschätzt er offenbar die Leistungsfähigkeit der Kochmethode und der Mikroskopie. Denn unzweifelhaft kann Eiweiss vorhanden sein und ist es vorhanden, ohne doch nach dem Kochen sichtbar zu werden*). Ich will gar nicht davon sprechen, dass man in normalen Nieren auch mittelst der Kochmethode Nichts von dem geronnenen Eiweiss in den Lymph bahnen sieht, welche nach Ludwig und Zawarykin'*'') die Gefässe und Harncanälchen umgeben und welche nach Ryndowsky*^) vielleicht sogar in die Kapseln eintreten und die Gefässknäuel umspinnen sollen. Von Lymphe und Eiweiss ist Nichts zu sehen, zweifelt deswegen Jemand, dass sie vorhanden sind ? Aber noch mehr! Man kann in verschiedener Weise Albuminurie hervorrufen, ohne dass auch die genaueste Untersuchung der gekochten, oder durch Alcohol gehärteten Nieren irgendwo und namentlich in den Kapseln eine Eiweissaus- scheidung nothwendig erkennen Hesse. *) Was vom Kochen, gilt auch von der Härtung und Gerinnung durch Alkühol. Ueber den Eiweissgehalt des normalen Harns. 35 Sehr leicht und sicher gelingt dies bei Kaninchen durch schnelle Erwärmung (worüber unten S. 47) oder durch Einspritzung ganz kleiner Mengen Phosphoröls (V3 — V2 Cctm. einer Lösung von 1 Pliosphor in 80 Olivenöl) unter die Haut. (Vgl. unten IV.) Nicht selten entsteht schon nach einer einmaligen, regelmässig aber nach einer am zweiten oder dritten Tage wiederholten Einspritzung deutliche Albuminurie, der Harn enthält feinkörnige Cylinder und ab und zu noch gut erkennbare Niercnepithelien. Die gekochten und in Alcohol gehärteten Nieren aber zeigen je nach der Stärke des Eingriffs bald einige geringfügige Veränderungen (fleckweise Hyperämie, auch wohl kleine Blutungen, Schwellung des Epithels, auch wohl Eiweissgerinnsel in den Kapseln allein oder auch in den Harncanälchen), bald dagegen gar nichts Auffallendes, auch kein geronnenes Eiweiss, insbesondere nicht in den Kapseln. Ganz das Nämliche gilt von der nach schneller Erwärmung eintretenden Albuminurie, ebenso von der nach Ein- spritzung von Hühnereiweiss in's Blut auftretenden Albuminurie. Fräulein Bridges Adams ■*-) hat in einer unter Cohnheim's und Weigert's Leitung durchgeführten Versuchsreihe bei 6 solchen Ein- spritzungen ausnahmslos Albuminurie beobachtet und trotz der Koch- methode ebenso ausnahmslos die Eiweissausscheidung in den Kapseln vermisst. Und doch haben die Kapseln ganz sicher Eiweiss enthalten, denn, wie Ribbert gezeigt hat, tritt unter jenen Umständen das Eiweiss wirklich aus den Knäuelgefässen und nur aus diesen aus und kann in den Kapseln nach der Gerinnung gesehen werden. Aber dass es überall und unter allen Umständen nothwendiger Weise ge- sehen werden muss, ist falsch, wie die augeführten Versuche schla- gend darthun und wie ja auch von vorne herein nicht wohl anders zu erwarten war. Denn bedenkt man, dass im normalen Zustand der Gefässknäuel die Kapsel vollständig ausfüllt und ihr so dicht anliegt, dass selbst „bei 800facher Vergrösserung an sehr feinen Durchschnitten lebend in Kältemischungen gebrachter Nieren von Schwein etc. eine kaum messbar feine, kugelschalenförmige Spalte zwischen Kapselepithel und dem des Glomerulus wahrnehmbar ist"'-'), eine Spalte, welche der Ausdruck des von dem minimalen, in jedem Augenblick vorhandenen Transsudates eingenommenen Zwischenraums ist, so wird man sich nicht wundern, wenn die unendlich kleine Spur *) S. \V. Krause, Allg. 11. uiikrosk. Anat. LS?!'). S. 24(i 36 Ueber den Eiweissgehall des normale q Harns. Eiweiss, welche dieses minimale Transsudat enthält, auch nach der Gerinnung unsichtbar bleibt. Um ungefähr eine Vorstellung davon zu bekommen, wie weit die winzigen Spuren Eiweiss, um die es sich hier handeln kann, jenseits der Grenzen des Sichtbaren, und mag man die Grenzen noch so weit ausdehnen, liegen, genügt eine ein- fache Rechnung unter Zugrundelegung der bekannten Dimensionen eines Malpighi'schen Körperchens und der wohl zulässigen Voraussetzung, dass dasselbe eine vollständige Kugelgestalt habe. Der Durchmesser eines solchen Körperchens, also auch der Bowman-Müller'schen Kapsel beträgt durchschnittlich 0,25 Mm., sein Rauminhalt demnach (•* 3 r'' 7t) 0,00818 Cbmm. Nehmen wir an, dass dieser Kaum nicht, wie es in Wirklichkeit der Fall ist, fast vollständig vom Gefässknäuel eingenommen wird, sondern gar nur zu drei Viertheilen, dass also ein volles Viertheil des Inhalts auf das Transsudat kommt, so sind wohl die übertriebensten Anforderungen mehr als übertroffen. Wir hätten dann in einem gegebenen Augenblick 0,00204 Cbmm. Transsudat in einer Kapsel, oder in Gewicht ausgedrückt, da es doch etwas schwerer als Wasser ist, gar 0,00206 Milligrra. Dieses Trans- sudat muss, me oben auseinander gesetzt worden, ärmer an Eiweiss sein, als die eiweissärmsten normalen Transsudate, als beispielsweise die Cerebrospinalflüssigkeit. Machen wir aber auch hier die übertrie- bensten Annahmen und setzen wir den Eiweissgehalt der Kapselflüssig- keit gleich dem der Cerebrospinalflüssigkeit und zwar gleich der höchsten Ziffer (s. S. 24), also zu 3 pro Mille, so hätten wir in 0,00206 Milligrm. Transsudat 0,00000618 Milligrm. Eiweiss. Das ist das Ergebniss einer Rechnung, die mit geradezu unglaublich übertrie- benen Zahlen angestellt ist, um eine möglichst grosse Eiweissmenge herauszubekommen und dennoch wird es der ausschweifendsten Phan- tasie schwer werden, sich vorzustellen, dass diese Menge, selbst wenn auf einen Fleck zusammengedrängt, mikroskopisch sichtbar sei, ge- schweige denn, Avenn sie in der Kapsel mehr oder weniger ausge- breitet, also auf dem optischen Querschnitt wieder nur noch zum Theil sich darstellen muss. Anders natürlich ist es unter abnormen Verhältnissen, wenn mehr Eiweiss transsudirt, wenn das Transsudat wegen behinderten Abflusses sich aufstaut und durch Resorption von Wasser noch eiweiss- reicher wird, und wenn endlich diese aufgestaute eiweissreiche Flüssig- Ueber den Eiweissgehalt des normalen Harns. 37 keil die Knäuelgefässo zusainmciidiückt und von dor Kapsel abdrängt. Dann wird das Eiweiss sichtbar, aber auch dann nicht einmal immer in allen Kapseln, selbst wo es sich um einen diffusen, alle Kapseln, wenn auch in verschieden starkem Grade betreffenden Process handelt, sondern sehr oft nur in einer grösseren oder geringeren Zahl, in anderen nicht, doch wohl weil liier die Anhäufung von Eiweiss nicht gross genug war. Besonders belehrend ist das Verhalten bei länger an- dauernder Harnstauung nach Ureterenunterbindung. Hier sieht man zu einer gewissen Zeit (vergl. unten IH.) die Harncanälchen und die Kapseln ausgedehnt und in manchen der letzteren die Gefässknäuel durch geronnenes Eiweiss, in anderen durch einen mehr oder weniger breiten und hellen Ring von Flüssigkeit ohne erkennbare Spur ge- ronnener Eiweissmasse abgedrängt. Gleichwohl muss diese Flüssig- k'eit eiweisshaltig sein und ist (wie die Urinuntersuchung des unmittel- bar nach der Freigebung der Ureteren untersuchten Harns ergiebt) eiweisshaltig und zwar weit stärker als das normale Transsudat unter den günstigsten Voraussetzungen es sein könnte. Und wenn sie trotz alledem klar und durchsichtig erscheint, so wird man für die Norm wohl nicht erwarten dürfen, zwischen Knäuel und Kapsel mehr als einen schmalen hellen Ring, nicht aber geronnenes Eiweiss zu sehen*). Es ist also bis jetzt gar nicht daran zu denken, dass durch die mikroskopische Untersuchung ein Beweis für oder gegen den Eiweiss- gehalt der Kapselflüssigkeit unter normalen Verhältnissen geliefert werden kann. Wir müssen bei der auf andere Weise gestützten An- nahme, dass das aus den Knäuel gefässen gepresste Transsudat in der Norm ganz schwach eiweisshaltig sei, stehen bleiben und haben in dieser Annahme zugleich die Handhabe, um den minimalen Eiweiss- *) Die Ureterenunterbindung bei Kaninchen ist eine so leicht und sauber aus- zuführende Operation, dass .Jeder sich ohne grosse Schwierigkeit von der Richtig- keit des oben Gesagten überzeugen kann. Der beste Beweis dafür aber ist wohl die Wiedergabe vonPosner's eigener Beschreibung des Bildes, welches die Kiere nach 2 stündiger oder 4 stündiger Unterbindung des Ureters darbietet, wonach sie sich bekanntlich, wie P. selbst auch angiebt. im Zustand acuter Stau- ung befindet und dem Secret auch rothe Blutkörperchen (!) beigemischt sich finden. ..Die mikroskopische Untersuchung ergiebt in jenen Änfangsstadien. abgesehen von der sehr hochgradigen capillaren Hyperämie und partiellen Hämorrhagien, nur Erweiterung der Harnkancälchee, aber noch kein gerinnbares Exsudat und keine sicheren Cyliuder. " 38 Abhängigkeit d. Albuminurie v. Veränderung, d. Blutdrucks. gehalt des normalen Urins und die ph^^siologische Albuminurie in ausreichender und vollständig befriedigender Weise, so wie es oben geschehen (S. 22 ff.), zu erklären. III. Ueber die Abhängigkeit der Albuminurie von Veränderungen des Blutdrucks. Ausgehend von der, wie wir gezeigt haben, durchaus zutreffenden Voraussetzung, dass die normale Flüssigkeit in den Bowman-Müller- schen Kapseln ein durch Filtration geliefertes und in seiner Beschaffenheit vom Blutdruck abhängiges Transsudat sei, haben viele Forscher ver- sucht durch Aenderungen des allgemeinen oder in den Nieren herrschenden Blutdrucks Albuminurie zu erzeugen. Auf diese Versuche müssen wir ausführlich eingehen, einerseits, weil man sich bemüht hat, aus ihnen Rückschlüsse auf die Entstehung und Abson- d erung des Harns und auf die Bedeutung des Blutdrucks für dieselbe zu machen, andererseits weil sie als Grundlage für die Deutung pa- thologischer Vorgänge zu dienen haben. Leider stösst ihre Verwerthung nach beiden Richtungen hin auf die grössten Schwierigkeiten, wie als- bald gezeigt werden soll. Die Verhältnisse liegen nicht so einfach, dass man erwarten dürfte, durch das Auffinden von Eiweiss im Urin einfach entscheiden zu können, von welchem Einfluss eine etwa statt- gehabte Druckveränderung im Merenkreislauf gewesen sei. Denn wenn auch jene Voraussetzung richtig ist, dass die Transsudation in den Bowm an- Müll er 'sehen Kapseln den Gesetzen des Filtrationsdrucks unterliegt, so folgt daraus noch nicht, dass der Harn im Ganzen den- selben Gesetzen unterworfen ist. Der Harn ist, wie ich schon vorher auseinandergesetzt habe, einem von zwei Quellen gespeisten Strom ver- gleichbar, die in ihrem Wassergehalt und in ihrer sonstigen Beschaffen- heit von einander verschieden sind und die nicht durchgängig gleichen Gesetzen folgen. Die eine Quelle, das Transsudat der Knäuelgefässe, ist wohl an Wasser ergiebiger und enthält etwas Eiweiss nebst den gewöhnlichen Bestandtheilen aller Transsudate, die andere, das Secret der Drüsenepithelien in den Harncanälchen, ist vielleicht weniger er- Abhängigkeit d. Albuminurie v. Veränderung, d. Blutdrucks. 39 giebig an Menge, frei von Eiweiss, dagegen beladen mit den speci- fischcn Secretbestandtheilen. Jene unterliegt, wie gesagt, den Filtra- tionsgesetzen, während die Drüsenabsonderung bekanntlich noch von anderen Einflüssen beherrscht wird. Zweitens hat man übersehen, dass mit steigendem Druck die xMenge des Filtrats zwar zunimmt, seine Zusammensetzung aber sich ändert, dass insbesondere der Ge- halt an Eiweiss relativ abnimmt und daher der Nachweis desselben mit steigendem Druck schwieriger wird wegen der grösseren Ver- dünnung. Drittens ist, wie seit den Untersuchungen Virchow's-*^) u. A. ebenfalls bekannt ist, die Gefässvertheilung in den Nieren so eigenthümlich angeordnet und von derjenigen anderer Organe ab- weichend, dass Aenderungen des allgemeinen Blutdrucks oder des Drucks in den zu- und abführenden Hauptgefässen der Nieren auf die beiden bei der Absonderung betheiligten Quellen in ungleicher Weise wirken können und müssen. Viertens können bei gewissen Blut- druckveränderungen die Gefässwandungen, oder andere Membranen, sowie Epithelien in ihrer Ernährung beeinträchtigt und dadurch ab- norm durchlässig gerade auch für Eiweiss werden. Endlich fünftens ist auch das Verhalten des Lymphstroms in der Niere abhängig von den Blutdruckverhältnissen und nicht ohne Einfluss auf die Beschaffen- heit des Harns. Dazu kommt noch, dass wenigstens bei den Druck- steigerungen im venösen System die rein mechanischen Bedingungen der Entleerung verändert werden, wie Ludwig*-*) schon vor Jahren gezeigt hat. Man sieht hieraus, wie verwickelt die Verhältnisse sind und wie schwer gerade bei den Nieren die Ergebnisse von Versuchen mit Blut- drucksveränderungen sich beurtheilen lassen. Nimmt man hierzu noch, dass bei gewissen Versuchsanordnungen unbeabsichtigte und dennoch einflussreiche Bedingungen mit eingeführt werden, Bedingungen, die häufig übersehen oder deren Wirkung falsch gedeutet worden ist, so wird man sich nicht wundern, dass die Versuche über den Einfluss des veränderten Blutdrucks theils zu einander widersprechenden Er- gebnissen geführt haben, theils, selbst dort, wo die Ergebnisse über- einstimmend waren, wie z. B. bei der venösen Stauung, in sehr ver- schiedenem Sinne gedeutet worden sind. Am einfachsten und durchsichtigsten noch liegen die Verhältuisse bei der arteriellen Drucksteigerung und dennoch haben gerade über den Einfluss dieser auf die Albuminurie die verschiedeneu Unter- 40 Abhängigkeit d. Albuminurie v. Veränderung, d. Blutdrucks. Sucher sich in verschiedenem Sinne geäussert. Freilich sind manche Versuche fehlerhaft angestellt, oder beweisen gerade das Gegentheil von dem, was ihre Unternehmer aus ihnen geschlossen haben. Ueber- legt man rein theoretisch von den im vorstehenden entwickelten An- schauungen aus, welche Folgen die Zunahme des arteriellen Drucks in den Nieren haben müsste, so findet man, dass sich die Wirkung aus dem Einfluss der Drucksteigerung auf die Transsudation aus den Knäuel gefässen und dem auf die secretorischen Elemente der Harn- canälchen zusammensetzen muss. Das Verhalten des Transsudates kann man wohl sicher voraussagen, es wird, wie es oben schon (S. 28) auseinander gesetzt wurde, reichlicher als in der Norm und pro- c entisch eiweissärmer sein müssen. Wie sich die eigentlichen secer- nirenden Elemente der Nieren verhalten, ist mit gleicher Sicherheit nicht zu sagen, da sie einer gesonderten experimentellen Prüfung, wie die Elemente anderer Drüsen nicht zugänglich sind. Immerhin darf man wohl aber nach Analogie anderer Drüsen, namentlich der Leber, an- nehmen, dass mit Zunahme des arteriellen Drucks (und der Blutge- schwindigkeit) die Secretion wenigstens bis zu emer gewissen Grenze steigen und kein Eiweiss in dem Secret erscheinen wird. Die Folge für den fertigen Harn wird eine Zunahme seiner Gesammtmenge, dagegen ein noch geringerer procentischer Gehalt an Eiweiss sein, als normal darin anzunehmen ist. Nennen wir wieder, wie oben, den procentischen Eiweissgehalt des Transsudates a, so wird sein Gehalt unter den hier angenommenen Bedingungen a — x sein und die Menge des von den Epithelien gelieferten Secrets statt n vielmehr n -f- y, so dass nun- a — X mehr der fertige Harn nur noch n -f- y Eiweiss enthalten wird, immer vorausgesetzt, dass keine Resorption von den Harncanälchen aus stattfindet. Man wird also bei wirklich gelungenen einwandsfreien Versuchen noch weniger, als in der Norm Eiweiss im Urin zu find'en erwarten dürfen, es müssten denn gleichzeitig mit der Drucksteigerung Bedingungen obwalten, welche, ohne im Uebrigen etwas zu ändern, die Menge des Urins ver- mindern, den procentischen Eiweissgehalt somit erhöhen, so dass der Nachweis desselben möglich wird. Betrachten wir nun einmal die bisher angestellten Versuche Abhängigkeit d. Albuminurie v. Veränderung, d. Blutdrucks. 41 und ihre Erfolge dos Näheren. Es giebt verschiedene Methoden, deren man sich zur Steigerung des allgemeinen Arteriendrucks oder nur des arteriellen Drucks in den Nieren bedienen kann und meistens auch bedient hat. Die stärksten Drucksteigerungen in der Aorta lassen sich leicht und sicher durch electrische Reizung des Halsmarks, durch Erzeugung von Dyspnö, durch Vergiftung mit Strych- nin, Digitalis etc. hervorrufen. Alles dies hat man angewandt, um Albuminurie zu bewirken und was hat sich dabei ergeben? Nach allen Beobachtern regelmässig während der Periode des Ansteigens und auf der Höhe des Aortendrucks eine vollständige Stockung des Harn- flusses und darauf, wenn mit dem Absinken jenes Drucks auch die Absonderung wieder im Gang kommt und sogar reichlicher wird, als vorher, eine (allmählich abnehmende) Eiweissausscheidung. In jener ersten Periode findet ein allgemeiner Krampf der kleinen Arterien statt, welcher eben das Ansteigen des Drucks in den grossen Stämmen verursacht. An diesem Krampf nehmen, wie Grützner ■*^) gezeigt hat, auch die kleinen Nierenarterien Theil und die natürliche Folge davon ist das Versiegen des Harnstroms; mit dem Nachlass des Gefässkrampfes steigt selbstverständ- lich der Druck im arteriellen Stromgebiet und in den Capillaren der Niere (sowie in anderen Organen) und zwar über die ursprüngliche Höhe entsprechend der vorangegangenen abnormen Steigerung des Aortendrucks, bis durch die Erweiterung der Strombahn die normalen Verhältnisse wieder hergestellt sind. In diese Periode der Drucks- und Geschwindigkeits-Zunahme und der durch sie bedingten activen Gefässerweiterung fällt mit der Zunahme der Harnabsonderung zugleich die nachweisbare Albuminurie*). Soll man nun daraus auf den Einfluss des erhöhten Blutdrucks auf die Albuminurie schliessen ? Auf den ersten Blick scheint das Verhältniss von Ursache *) Litten'*^), welcher die oben erwähnten Versuche mit demselben Erfolg, besonders im Hinblick auf die Albuminurie angestellt hat und geneigt war. die Steigerung des arteriellen Drucks als Ursache der Albuminurie anzusehen . er- klärt diese dann als Folge der Gefässerweiterung und der dadurch bedingten Verlangsamung des Blutstroms und findet darin eine gewisse Bestätigung der von ihm für richtig gehaltenen Anschauungen Runeberg's (s. S. 2 u. S.30). Allein da es sich hier um eine active Erweiterung handelt, so kann selbstverständlich keine Verlangsamung des Blutstromes stattfinden, was wohl auch aus der Zu- nahme der Harnmenge beiläufig angezeigt wird. Es ist klar, dass die Verhält- nisse andere sind bei Drucksteigerung durch gehinderten Venenabfluss und P assi V er Gefässerweiterung. 42 Abhängigkeit d. Albuminurie v. Veränderung, d. Blutdrucks. und "Wirkung in diesem Fall so klar, dass man diesen Schluss für unbedenklich halten möchte. Allein ein gewichtiger Umstand steht Dem doch entgegen, d. i. die mangelhafte Zufuhr arteriellen Blutes während der Gefässverengerung. Es ist gleichgültig, hh , wie die ge- wöhnlichen Angaben über die hier besprochenen Versuche lauten, der Harnfluss während der Periode des Gefässkrampfes ganz aufhört und die Albuminurie also auch erst nachher mit der wieder beginnenden Harnabsonderung sich zeigt, denn unzweifelhaft ist diese, wenn nicht hinterher noch Blutungen dazu treten, auf die vorangegangene Periode zurückzuführen. Wir werden später sehen, dass wenn auch nicht bei ganz aufgehobener, so doch bei erheblich eingeschränkter arterieller Blutzufuhr die Harnabsonderung fortdauert und zwar mit deutlicher Albuminurie, deren Ursachen alsdann zu besprechen sein werden. Hier kommt es nur darauf an, festzustellen, dass eben die in der ersten Periode stattfindende Beschränkung der Blutzufuhr für sich allein die Albuminurie erklärt und dass eben deswegen diesen Ver- suchen jede Beweiskraft zu Gunsten eines Einflusses der arteriellen, Druckerhöhung abgesprochen werden muss. Viel beweisender für oder gegen diesen Einfluss würden die Ver- suche sein, wenn es möglich wäre, sie so einzurichten, dass nur diese Druckwirkung und Nichts weiter zum Ausdruck käme. Früher glaubte man durch Unterbindung peripherer Arterien den Druck in der Aorta und den übrigen Arterien mit Leichtigkeit in die Höhe treiben zu können. Die kymographische Beobachtung hat dies aber als einen Irrthum kennen gelehrt und gezeigt, dass der Organismus über Ausgleichsvorrichtungen verfügt, vermöge deren selbst bei Aus- schaltung grösserer Gefässgebiete aas dem Kreislauf der allgemeine Blutdruck auf normaler Höhe erhalten wird. Nur die Unterbindung der Carotiden oder auch schon einer Carotis kann den Aortendruck stark in die Höhe treiben, aber, wie Nawalichin*'') gezeigt hat, le- diglich in Folge der dadurch herbeigeführten Reizung des vasomoto- rischen Centrums und des darauf eintretenden allgemeinen Gefäss- krampfs, also gerade so wie in jener ersten Reihe von Versuchen, die wir eben besprochen haben. Ohne Carotidenunterbindung kann der Aortendruck zuverlässig und beträchtlich nur durch Unterbindung der Aorta selbst unterhalb des Zwerchfells, aber oberhalb der Nieren erhöht werden. Diese aber hat natürlich wenn nicht eine gänzliche, so doch eine nahezu vollständige Absperrung der Blutzufuhr Abhängigkeit d. Albuminurie v. Veränderung, d. Blutdrucks. 43 zu den Nieren zur Folge, ist also für unseren Zweck gar nicht zu brauchen. Die alleinige Unterbindung der Aorta unterhalb der Nieren bewirkt schon keine Drucksteigerung mehr, ja Litten erhielt sogar, wenn er ausserdem noch die Art. coeliaca und mesenterica sup. unter- band, nur eine geringe Drucksteigerung, die sich allmählich ausglich. Demnach wird man in den Veränderungen, welche etwa der Urin nach Unterbindung der Aorta unterhalb der Nierenarterien darbietet, wohl nicht die Folgen eines gesteigerten Arteriendrucks sehen dürfen, sondern sie mehr auf Rechnung der bei einer so eingreifenden Opera- tion unvermeidlichen Nebenverletzungen, auf den Druck, welchen die Nieren oder ihre Gefässe erleiden, auf Zerrung und Verletzung der Nervi splanchnici etc. zu setzen haben. Dieselben Bedenken wird man auch denjenigen Versuchen, in welchen wirklich eine Druck- steigerung durch Unterbindung der Aorta und noch anderer Arterien erzielt werden konnte, entgegenhalten dürfen. Und vollends bedenk- lich wird man, wenn man sich die Erfolge der verschiedenen Forscher ansieht. So hat G. H. Meyer, der Erste, welcher zur Entscheidung der vorliegenden Frage die Aortenunterbindung machte, den Urin danach eiweisshaltig gefunden, Robinson dagegen nicht, Frerichs fand danach in wenigen Fällen Spuren von Albumen, constant aber ansehnliche Mengen von Eiweiss, wenn ausser der Aortenunterbindung noch eine Niere entfernt wurde. Dasselbe fand Ph. Munk. Correnti wieder fand schon nach blosser Aortenunterbindung Eiweiss, H. Cohn sogar, allerdings nur ausnahmsweise, nach Wegnahme nur der einen Niere, Litten fand nach blosser Aortenunterbinduug wieder kein Eiweiss, auch nicht einmal, wenn zugleich die Artt. coeliaca und mesenterica sup. unterbunden war, wobei doch eine geringe Druck- steigerung eintrat. Ich selbst habe 2 Mal bei Kaninchen die Aorta unterbunden und darnach den Harn eiweisshaltig gefunden, habe mich aber auch überzeugt, wie eingreifend diese Operation ist. Stokvis endlich hat, um jede Verletzung zu vermeiden, die Aorta bei Ka- ninchen unterhalb der Nieren von Aussen her durch die Bauchdecken vermittelst eines Gurts mit einer Schraubenpelotte zusammengedrückt und darnach in 3 Fällen zweimal im Urin eine leichte Trübung durch Salpetersäure eintreten sehen, die er nicht für Eiweiss ansieht, die aber doch wohl nichts Anderes gewesen sein kann. Indessen ist auch auf diese Versuche kein Werth zu legen, denn wenn wirklich nur die Aorta unterhalb der Nieren zusammengedrückt würde, so wäre ja doch 44 Abhängigkeit d. Albuminurie v. Veränderung, d. Blutdrucks. eine Steigerung des Aortendrucks, wie gesagt, nicht mit Sicherheit zu erwarten. In Wahrheit aber muss bei diesem Verfahren der Druck in der Bauchhöhle überhaupt, also der auf den Nieren im Ganzen lastende Druck gesteigert werden, wodurch eine erheblicl^g Blutstauung in derselben entsteht, die allein schon Albuminurie bewirken kann. ^-) Was soll man nun aus allen diesen Versuchen schliessen? Ohne Steigerung des Aortendrucks (Unterbindung der Aorta allein) findet der Eine immer Eiweiss, ein Anderer niemals, ein Dritter selten und nur Spuren; mit Steigerung (Unterbindung der Aorta und Unterhin- dung, oder Ausschaltung noch anderer Arterien) findet der Eine con- stant Eiweiss, der Andere nicht. Ich für meine Person bin der An- sicht, dass jene Reihe von Versuchen, bei denen eine Druckzunahme nicht zu erwarten ist, überhaupt auch Nichts beweist und die dennoch beobachtete Albuminurie auf die genannten Nebenverletzungen zu schieben ist. In den Versuchen mit wirklicher Zunahme des arte- riellen Drucks steht Behauptung gegen Behauptung und muss also die Entscheidung ausstehen. Gleichwohl wird man den Versuchen Litten" s, welcher kein Eiweiss fand, die grössere Beweiskraft zuer- kennen müssen, denn es ist wohl zu verstehen, wie bei so eingreifen- den Versuchen durch Nebenumstände der Harn eiweisshaltig wird, nicht aber, wenn die Drucksteigerung für sich allein Albuminurie be- wirkte, wie diese durch Nebenumstände verdeckt werden könnte, vor- ausgesetzt, dass in zweckmässiger Weise nach Eiweiss gesucht wird, woran in diesem Fall zu zweifeln kein Grund ist. Lässt man also den Versuch Litten' s als beweiskräftig gelten, so entspricht das Ergebniss desselben ganz und gar unseren obigen Voraussetzungen (S. 40): wenn in einem Urin Eiweiss für gewöhnlich nicht zu finden ist, so wird bei Steigerung des arteriellen Drucks, wenn nicht gleich- zeitig die Menge des Urins abnimmt, erst recht kein Eiweiss nach- weisbar sein. Eine bessere Uebereinstimmung haben die Versuche mit Durch- sch neidung der Nieren nerven ergeben, hauptsächlich wohl deshalb, weil dabei Druck oder A'erletzung der Nierengefässe schwer zu ver- meiden sind. Die letzteren können für sich allein schon Albuminurie hervorrufen und so mag es zu erklären sein, dass einzelne Forscher nach der Durchschneidung sie beobachtet haben, wie in neuerer Zeit von Wittich und Vulpian, während Andere, wie M. Herrmann und KnoU die Albuminurie nur bei Nebenverletzungen beobachteten.^^) Abhängigkeit d. Albuminurie v. Venänderung. d. Blutdrucks. 45 Diesen negativen Ergebnissen wird man aus demselben Grunde, wie bei den Versuchen mit Aortenunterbindung, einen grösseren Wertli beilegen müssen. Es wird also ebenso wie dort auch bei der Nerven- liurchschneidung, welche eine Zunahme des Blutdrucks und der Strom- geschwindigkeit in der Niere bewirkt, nicht gelingen, Eiweiss nach- zuweisen, weil die Menge des Harns dabei sehr gesteigert wird. Mehr Erfolg, als alle die genannten Versuche müsste, wie ge- sagt, eine Methode versprechen, welche den arteriellen Blutdruck und nur diesen erhöht und gleichzeitig die VVasserabsonderung im Harn vermindert, so dass die Entdeckung von Eiweiss erleichtert wird. Eine solche Methode besitzen wir in der Erhöhung der Körper- temperatur. Dass diese den allgemeinen Blutdruck steigert, lässt sich von vorneherein schon aus den bekannten Veränderungen der Blutgefässe und des Kreislaufs bei Erwärmung des Körpers schliessen. Die vermehrte Schlagfolge des Herzens, die Umfangszunahme aller Arterien und ihr erhöhter Füllungszustand, das Pulsiren kleinerer sonst pulsloser Gefässe, die Injectionsröthung aller sichtbaren Theile, mit einem Worte alle jene bekannten Erscheinungen der „Wallung'*, wie sie je nach der Einwirkung der Wärme örtlich oder allgemein eintreten, sind wohl unzweifelhafte Folgen und Beweise der Zunahme des arteriellen Blutdrucks (und der Stromgeschwindigkeit). Gleich- wohl hat mau bei den zahlreichen und verschiedenartigsten Druck- messungsversuchen älterer und neuerer Zeit diesem Zustand wenig Beachtung geschenkt, so dass über directe Messung des Arteriendrucks bei allgemeiner Erwärmung des Körpers nur eine einzige beiläufige Mittheilung vorliegt, welche Paschutin^o) bei Gelegenheit seiner Untersuchungen über den Lymphstrom bei Hunden gemacht hat. Er fand in der That eine deutliche Zunahme des Drucks. Ausserdem hat noch J. Zadek^'), welcher nach v. Basch's Methode der indi- recten Druckraessung Untersuchungen an Menschen anstellte, ebenfalls gefunden, dass bei Zunahme der Körpertemperatur der Arteriendruck abnorm hoch ist. Wegen dieser spärlichen Angaben habe ich selbst an Kaninchen eine grosse Zahl von Versuchen angestellt, in welchen während einer ziemlich schnellen Erwärmung der Körperoberfläche der Druck in einer A. carotis gemessen wurde. Die ausführliche Mitthei- lung derselben und die Besprechung noch anderweitiger dabei ge- machter Erfahrungen gehört nicht hierher und wird an einem anderen Ort erfolgen. Hier hal)e iumimnie v. Veränderung, d. Blutdrucks. 71 ein Unterschied wird vielleicht nur dadurch hervorgebracht, dass beim Menschen der Tod nicht gleich beim Beginn der Stauung eintritt und die Stauungen längere Zeit andauern, wodurch Zeit zur Entwickelung iener eben erwähnten Folgezustände gegeben ist. Man hat deshalb nicht häufig Gelegenheit, ausser etwa bei plötzlicher Erstickung, Stauungsnieren hohen Grades aber von frischer Entstehung, so etwa, dass die Stauung beim Eintritt des Todes schnell bis gerade zur Albuminurie gediehen wäre, zu untersuchen. In den wenigen Fällen meiner Beobachtung, welche diesen Anforderungen einigermaassen etwa entsprj^chen, war denn auch nur eine sehr massige Umfangszu- nahme der Nieren zu bemerken, welche nicht annähernd jener unge- heuren Zunahme einer Kaninchenniere nach Venenunterbindung gleich- kam, auch nicht ein Mal jene Grade erreichte, wie sie bei frischen, entzündlichen Schwellungen der Niere zur Beobachtung kommen. Die Blutstauung war in der bekannten Weise ausgesprochen, am meisten in dem venenreichen Pyramidenabschnitt, weniger in den Bowm an- Müller'sehen Kapseln. Mikroskopisch war nicht immer, wenigstens nicht in jedem Schnitt, eine Eiweissablagerung nachweisbar, wo sie sich aber zeigte, waren es fast nur die Kapseln, welche sie enthielten. Dasjenige nun, was die klinische Beobachtung ergiebt, deckt sich so gut wie vollständig mit der experimentell geübten Arteriensperre und erklärt sich aus den bei dieser stattfindenden Vorgängen, wie sie oben (S. 62) auseinandergesetzt wurden, in der befriedigendsten Weise: die starke Abnahme des Wassergehalts als vereinigte Folge der Druck- lierabsetzung für den Filtrations- und Secretionsapparat, die Abnahme der specifischen Harnbestandtheile, als deren Repräsentant der Harn- stoff gilt, der schwache Eiweissgehalt, die gänzliche Abwesenheit oder das sehr spärliche Auftreten von Blut. Des Einflusses einer verän- derten Ernährung der Epithelien und Gefässwanduugen bedarf es An- gesichts der experimentellen wie klinischen Thatsachen für den An- fang selbst bei der vollständigen Arterienabkleramung nicht und noch weniger bei der nur eingeschränkten, aber nicht ganz aufgehobenen Blutzufuhr. M. Herrmann, sowie v. Overbeck sahen schon Eiweiss im Urin auftreten, wenn sie die Nierenarterie nur wenige Secunden absperrten, und sahen es auch nach ganz kurzer Zeit, selbst schon nach einer halben Stunde wieder daraus vcrsdiwinden. Dass es sich beim Menschen sehr oft ähnlich verhält und der Harn mit Regelung der Kreislaufs Verhältnisse wie mit Einem Schlage sich ändert, reich- 72 Abhängigkeit d. Albuuiiuurie v, Veränderung, d. Blutdrucks. licher fliesst, kein Eiweiss mehr entdecken lässt, habe ich eben er- wähnt. Man müsste den Begriff der Ernährungsstörung schon sehr weit ausdehnen und eben schon jede Kreislaufsstörung als eine solche ansehen, wenn man in Fällen, wie die bezeichneten, die Ernährungs- störung der Gewebselemente für die schnell eintretende und vorüber- gehende Albuminurie verantwortlich machen wollte. Es ist ferner mit der Annahme einer Ernährungsstörung der Knäuelgefässe oder ihrer Epithelhaut die sparsame Eiweissausscheidung und die minimale, wenn nicht ganz fehlende Blutbeimengung im Harn schwer zu ver- einbaren. Aber es wäre verkehrt, ganz in Abrede zu stellen, dass im Laufe der Zeit bei der Stauung, von welcher hier die Rede ist, eine Ernährungsstörung sich geltend macht. Es ist frei- lich schwer, oder unmöglich zu sagen, welchen Grad die Ent- ziehung von arteriellem Blut gerade erreicht haben muss, um die Er- nährungsstörung hervorzurufen und daher ist dem Belieben des Einzelnen bei der Beurtheilung dieses Einflusses ein weiter Spielraum gelassen. Je nach dem Standpunkt, welchen er in Bezug auf die Wirkung der blossen Druckveränderung einnimmt, wird er geneigt sein, den Einfluss der Ernährungsstörung früher oder später für die Erklärung der Functionsstörung in Anspruch zu nehmen. Mit Sicher- heit kann man nur die extremen Verhältnisse beurtheilen und so wird man nicht fehlgehen in der Annahme, dass einerseits keine irgend erhebliche Ernährungsstörung der Gewebe eingetreten sein kann, wenn die Unterbrechung der Blutzufuhr nur eine ganz kurze Zeit, vielleicht nur ein Paar Secunden gedauert hat und obendrein noch nicht ein- mal vollständig war, oder wenn eine ganz massige Verlangsamung des Kreislaufs in längerer Zeit sich entwickelt, wobei, wie ich gelegent- lich schon hervorhob (S. 56), die Gewebe sich der verminderten Zu- fuhr anpassen, andererseits aber nach Stunden oder gar Tage langer vollständiger Unterbrechung des Kreislaufs arge Gewebsstörungen sich ausbilden müssen. Auch die dritte Form der Nierenstauung, diejenige durch be- hinderten Harnabfluss, kommt beim Menschen, wenn auch seltener als die vorige Form vor, indess erlauben die klinischen Erscheinungen hier weniger einen Vergleich mit dem Experiment, einmal weil meistens nur eine Niere betroffen ist, so dass also der zu Tage geförderte Urin entweder gar keine Abnormität zeigt, weil er nur von der ge- Abhängigkeit d. Albuminurie v. Entartung d. Niercnepithelien. 73 sundcn Niere geliefert ist, oder, wenn der Abflusis aus der betroffenen Niere nicht ganz aufgehört hat, ein Geraenge von normalem und ab- normem Harn darstellt; sodann weil die Hindernisse für den Harn- abüuss gewöhnlich derart sind, dass etwaige abnorme Beimengungen, wie Eiweiss oder Blut, erst nachträglich zu der aus der Niere selbst gelieferten Flüssigkeit hinzugekommen sein können, so z. B., wenn das Hinderniss durch Concreraente bedingt ist, welche die Schleim- haut reizen, oder durch Geschwülste in den Harnwegen u. dgl. m. Auch über den anatomischen Befund von menschlichen Nieren aus der allerersten Periode einer ganz vollständigen Harnstauung, die etwa mit der Ureterunterbindung sich vergleichen Messe und zumal über den Ort der Eiweisslagerung in solchen Nieren fehlen alle Erfahrungen. IV. üeber die Abhängigkeit der Albuminurie von der Entartung der Nierenepithelien. Ausser dem Gefässsystem können bei der Albuminurie von dem das Nierenparenchym bildenden Gewebselementen nur noch die Epi- thelien in Betracht kommen und zwar in erster Linie die Epithelien der Harncanälchen, sodann aber auch die Epithelien, welche die Knäuelgefässe bedecken und in gewisser Beziehung vielleicht auch noch diejenigen, welche die Innenfläche der Bowman- Müller'schen Kapseln auskleiden. Früher räumte man den Epi- thelien, und zwar nur den erstgenannten, da die anderen beiden Arten noch nicht bekannt waren, einen bedeutenden Einfluss auf die Entstehung der Albuminurie ein. Man nahm entweder an, dass bei ihrer Erkrankung das Eiweiss, welches normaler Weise durch die Knäuelgefässe transsudire und von den Epithelien aufgenommen und assimilirt werde, nunmehr unbenutzt durch die Harncanälchen ab- fliesse, oder man stellte sich vor, dass das Eiweiss aus den die Harn- canälchen umspinnenden Gefässen in die Canälchen hineingelange, weil die in ilirer Ernährung geschädigten Epithelien nicht mehr, wie in der Norm einen Schutz dagegen zu bilden vermögen. Die Theorien 74 Abhängigkeit d. Albuminurie v. Entartung d. Nierenepithelien. der Neuzeit halten sich mit dieser Frage wenig auf, sondern pflegen sie kurz damit abzuthun, dass bei fettiger oder anderweitiger Ent- artung der Epithelien, wie bei Phosphorvergiftung, bei schweren Anämien und hoch fieberhaften Infectionskrankheiten, kein Eiweiss im Harn gefunden werde, folglich den Epithelien keine Ro]J,e bei der Albuminurie zukommen könne. Und dies sind dieselben Theorien, deren Grundlage die Lehre bildet, dass die Epithelien dem Eiweiss des Blutes den Durchgang verwehren und dass deshalb der normale Urin eiweissfrei sei. Der Widerspruch liegt auf der Hand! Allen- falls lassen Diejenigen, welche annehmen, dass der Epithelbelag der Knäuelgefässe es sei, der das Eiweiss des Blutes zurückhalte, die Möglichkeit zu, dass durch Ernährungsstörungen oder den Untergang dieser Epithelien im Besondern Albuminurie entstehe. Der anderen Epithelien, vor Allem namentlich der Epithelien der Harncanälchen, der eigentlichen Drüsenelemente, geschieht entweder keine Erwähnung oder ihr Zustand wird ausdrücklich als gleichgültig für die Albumi- nurie bezeichnet. Bekanntlich sind die wahren Secrete, d. h. die alleinigen Pro- ducte ächter secernirender Drüsenepithelien zum Theil eiweisshaltig, zum Theil eiweissfrei. Jene, der Zahl nach überwiegenden, verdanken ihren Eiweissgehalt der beständigen Umwandlung und Abstossung der Zellen, welche in das Secret übergehen, die übrigen Drüsen liefern ein eiweissfreies Secret, weil der allgemeinen und wohl unantastbaren Vorstellung gemäss ihre Epithelien in der Norm nicht untergehen und nur bestimmte Stoffe, welche sie aus den Säften aufnehmen oder in sich selbst bereiten, aber kein Eiweiss abgeben. Ob diese Epi- thelien wirklich das ganze Leben hindurch unverändert fortbestehen, oder ob sie ganz unmerklich einer Wandlung unterworfen sind, etwa so, wie der Organismus im Ganzen sich in einer beständigen unmerk- lichen Umwandelung befindet, ist für uns hier gleichgültig. Genug, dass der Grund, weshalb kein Eiweiss in das Secret der Leber, des vorzüglichsten Repräsentanten dieser zweiten Art von Drüsen, ferner in die Seh weiss- und Thränendrüsen, wenn anders diese im reinen Zustande wirklich eiweissfrei sind, übergeht, wird in der normalen Function ihrer Epithelien gesucht. Wer nun in dem Harn überhaupt nur ein wahres eiweissfreies Drüsensecret .sieht, muss ebenfalls den Epithelien die Zurückhaltung von Eiweiss zuschreiben, wer aber, wie wir selbst, den Harn als ein Gemenge von Transsudat und wahrem Abhängigkeit d. Albuminurie v. Entartung d. Nierenepitholion. 75 Drüsensccrct betrachtet (s. S. 32), der wird wenigstens das letztere, welches das Product der Epithelien der Harncanälclien ist, als ciweiss- l'rei aus demselben Grunde betrachten müssen, mag er sonst das Transsudat der Knäuelgefässe für eiweisshaltig ansehen oder nicht. Hieraus ergiebt sich mit zwingender Gewalt, dass bei Ernährungs- und Functionsstörung, oder bei völligem Untergang der Epithelien der Harncanälchen Eiweiss aus dem Blut und der Lymphe in das Secret übergehen und Eiweiss in einem bis dahin eiweissfrei erschienenen Harn sich zeigen, d. h. dass Albuminurie entstehen wird. Beobachtungen, welche das Gegentheil beweisen sollen, können nur auf einem Irr- thum, auf mangelhafter Untersuchung beruhen, oder es müsste die ganze Lehre von der specifischen Drüsenabsonderung umgestossen werden. Glücklicher Weise ist ein solcher Zwiespalt zwischen Beobachtung und Theorie hier nicht vorhanden. Eine fettige Entartung der Epi- thelien wird bekanntlich im höchsten Grade bei der acuten A^er- giftung mit Phosphor oder auch mit arseniger Säure und einigen anderen Giften hervorgebracht und zumal die Phosphorvergiftung, der Typus dieser Klasse, sollte gegen die Betheiligung der Epithelien bei der Albuminurie sprechen , weil bei ihr wenig oder gar kein Eiweiss im Urin vorkäme. Soviel ich sehe, ist diese ganz irrige Ansicht hervorgerufen durch die Angaben von Stokvis und von Kohts''"), welche auf Grund von Vergiftungsversuchen sich gegen den Zusammenhang von Albuminurie und Fettentartung glaub- ten aussprechen zu müssen, während man bis dahin wesentlich auf Grund der Beobachtungen von Ph. Munk und Leyden"") die Albu- minurie als ein fast constantes Symptom der Phosphorvergiftung an- gesehen hatte. Die Versuche von Stokvis und von Kohts sprechen aber in Wirklichkeit auch nicht gegen diesen Zusammenhang. Was Stokvis betrifft, so hat er erstens die zur damaligen Zeit wohl als genügend für den Eiweissnachweis geltenden Reactionen mit Salpeter- säure oder Essigsäure und Kochen angewandt, die aber als vollkommen genügend nicht anzusehen sind (s. S. 13 u. 14), zwei- tens aber haben selbst diese, doch nicht sehr empfindlichen Re- actionen in drei von seinen vier Versuchen das Vorhandens(Mn von Eiweisskörpern , nämlich Serumeiweiss und Hemiall)uniosc (Pro- pepton) ergeben und in dem vierten Versuch scheint es gar nicht zu 76 Abhäiigiglieit d. Albuminurie v. Entartung d. Nierenepithelien. einer erfolgreichen Vergiftung gekommen zu sein*). Die Hemial- bumose betreffend, so ist in diesen Yersucben deren Anwesenheit an- zunehmen oder wenigstens nicht auszuschliessen , weil die Säuren Niederschläge oder Trübungen gaben, die in der Hitze verschwanden und die Stokvis ohne weitere Prüfung auf die Anweksenheit von Fett (oder Fettsäuren) bezog. Da wir jetzt wissen, dass bei der Phosphorvergiftung peptonartige Körper im Urin häufig auftreten, so hat die erstere Annahme ebensoviel für sich, wie die letztere. Kohts hat acht Experimente mit Phosphorvergiftung angestellt, sechs an Hunden, zwei an Kaninchen. Mit Ausnahme eines Hundes, der schon am zweiten Tage ganz plötzlich starb und eines Kaninchens, ist nach den Protocollen aller anderen Versuche im Laufe der Ver- giftung stets ein Mal, oder mehrere Mal Eiweiss in geringer, bei dem einen Kaninchen sogar in reichlicher Menge nachgewiesen worden, nach welchen Methoden, ist nicht angegeben, doch darf man wohl vermuthen, dass auch hier die gewöhnliche Methode mit Kochen und Salpetersäure benutzt wurde. Demnach widerspricht der Schlusssatz von Kohts, dass „bei allen Versuchsthieren, mit Ausnahme des einen Kaninchens, keine Albuminurie auftrat" seinen eigenen Befunden. Sehr sorgfältige Untersuchungen haben Schnitzen undRiess^-) angestellt. Sie fanden bei 6 mit Phosphor vergifteten Hunden jedes Mal Eiweiss theils in geringen, theils in grossen Mengen im Urin. Da nach den Angaben von Stokvis und von Kohts aber doch *) In den von Stokvis mitgetheiltenVersuchsprotokolleu heisstes: Vers.I. Kaninclien mit Phosphor vergiftet. Tod am 2. Tage, Urin in dieser Zeit oline Spur von Eiweiss. In der Blase klarer, saurer Urin, der mit Salpetersäure eine leichte Trübung giebt, die im Ueberschuss schwindet. Dieselbe Trübung erhält man, wenn man ihn mit Essigsäure erhitzt. Dies kann nur Serumeiweiss sein, welches nach den Untersuchungen von Stokvis selbst sich im Ueberschuss von Salpetersäure in der Kälte löst. Vers. 2. Hund mit Phosphor vergiftet. Tod am 5. Tage. Der Urin vom letzten Tage gallen- farhstoffhaltig, trübt sich mit Salpetersäure und Essigsäure, nicht aber beim Erhitzen, ebenso der in der Blase gefundene Urin. Vers. 3. Hund mit arseniger Säure vergiftet. Tod am 4. Tage. Urin der beiden letzten Tage giebt mit Salpetersäure und Essigsäure eine Trübung, welche beim Erhitzen verschwindet und auch auf Zusatz von ISTatronsulfat nicht wiederkehrt, ebenso der Urin in der Blase. Vers. 4. Hund mit ar- seniger Säure vergiftet, wird, da er sich trotzdem ziemlich wohl befindet (!) am 11. Tage getödtet. Die Angabe über den Urin lautet nur, dass er nie eine Spur von Eiweiss, aber einige fettig entartete Epithelien enthalten habe. Nach dem Tode fand man nur eine sehr leichte (!) Fettentartung der Organe. Abhängigkeil d. Albuminiuie v. EnLarUuig d. Nierenepithelien. 77 noch hätten Zweifel bestehen können, namentlich über das Auftreten der Albuminurie bei Kaninchen, so habe ich vier Versuche mit Phosphor an bis dahin gesunden kräftigen Kaninchen angestellt. Derselbe wurde in Gel gelöst unter die Haut gespritzt. h\ allen vier Fällen habe ich danach Albuminurie eintreten, oder wo schon vorher Ei weiss, im Urin nachweisbar gewesen war (vgl. S. 20 Anm.), die Albuminurie zunehmen gesehen. Ich führe diese Versuche ganz kurz hier an: I. 1880. 20. März. Grosses starkes mit Hafer gefüttertes Kaninchen, entleert bei Druck auf die Blase einen sauren, klar filtrirenden Urin. In dem- selben bringt Essigsäure und Ferrocyankalium eine leichte Trübung hervor, eben- so schon in der Kälte Essigsäure und concentrirte Natronsulfatlösung, diese Trü- bung bleibt beim Kochen. Salpetersäure ruft eine schwache Trübung hervor, wird der Urin damit gekocht, so wird er ganz dunkel, so dass nicht zu erkennen ist. ob die Trübung dabei verschwindet oder nicht. Von einer Lösung von Phos- phor in Olivenöl (1 : 80) werden V4 Cubctm. unter die Haut gespritzt. 21. März. Kaninchen ist ziemlich munter. Sein Urin ist sauer, filtrirt klar und giebt mit Essigsäure und Ferrocyankalium einen starken Niederschlag, mit Essigsäure und Natronsulfat starke Trübung, beim Erhitzen zunehmend, mit Salpetersäure starke Trübung und damit gekocht wird er sehr dunkel und lässt allmälig einen Bodensatz fallen, l Neue Einspritzung von V4 Cbctm. 28. März. Heute früh ist das Kaninchen gestorben. Der vorher entleerte Urin verhält sich wie der gestrige. Im Sediment finden sich mikroskopisch äusserst feinkörnige Cylinder und einzelne, ziemlich gut erhaltene Nieren- epithelien. II. 1880. 23. März. Grosses, mit Hafer gefüttertes Kaninchen entleert einen sauren klar filtrirenden Urin, welcher mit den genannten SReactionen eine zweifelhafte Spur von Eiweiss erkennen lässt. Einspritzung von V2 Cbctm. Phos- phoröl. 24. März. Kaninchen hat sehr viel Urin in der Blase, welcher frisch ent- leert sauer reagirt und bei allen 3 Proben sich ziemlich stark eiweisshaltig zeigt. Im Sediment nur einige feinkörnige Cylinder. Eine Probe mit Essigs. und Natronsulfat gekocht und ausgefällt giebt im Filtrat keine Pepton- (Biuret-) Reaction. Einspritzung von etwas über V2 Cbctm. Phosphoröl. 25. März. Urin reichlich , blasser, als gestern, sauer und noch stärker eiweisshaltig, als gestern gegen dieselben 3 Proben. Keine Peptonreaction in dem ausgefällten Urin. Im Sediment ziemlich viel grobkörnige Cylinder und einzelne fettig entartete Nierenepithelien. Keine Einspritzung. 26. März. Tod heute früh. Der vorher entleerte Urin ist sehr blass, sauer und sehr stark eiweisshaltig nach allen 3 Proben. Im Sediment grobgranulirte. kurze Cylinder und vereinzelte im Zerfall begriffene Epithelien. III. 28. März. Sehr grosses, mit Hafer und Mohrrüben gefüttertes Kanin- chen entleert einen reichlichen sauren Urin, der klar filtrirt und mit allen drei Eiweissproben keine Trübung giebt. Einspritzung von 'o Cbctm. Phosphoröl. 29. März. Urin sauer, im klaren Filtrat giebt Essigs, und Ferrocyankalium. ebenso Essigs, und Natronsulfat beim Kochen eine schwache Trübung. Sal- petersäure allein giebt keine deutliche Trübung, beim Kochen wird der Harn so dunkel, dass Nichts zu erkennen ist. Einspritzung von ' ., Cbctm. Phosphoröl. 78 Abhängigkeit ci. Albuminnrie v. Entartung d. Nierenepithelien. 30. März. Urin sauer, giebt ein klares Filtrat. welches bei den erstge- nannten beiden Proben sich deutlich eiweisshaltig zeigt und mit Salpeter- säure eine leichte Trübung giebt , die sich beim Kochen zu verstärken scheint, soweit die dabei eintretende dunklere Färbung erkennen lässt. .31. März. Kaninchen todt gefunden. Urin aus Versehen nicht untersucht. IV. 2. April. Mittelgrosses Kaninchen, welches seit vorgestern im Käfig gehalten und mit Hafer und Mohrrüben gefüttert wird. Der ausser Blase ge- drückte Urin ist sauer, etwas gallertig, dickflüssig, giebt aber ein klares Filtrat, in welchem nur Essigsäure und Ferrocyankalium nach längerem Stehen eine leichte Trübung erzeugt , während die anderen beiden Proben keine Trübung bewirken. S.April. Urin klarer, sauer, das klare Filtrat bei allen drei Proben eiweiss- frei. Einspritzung von .3 bis 4 Tropfen Phosphoröls. 4. April. Urin sauer, im klaren Filtrat giebt Essigsäure mit Ferrocj'an- kalium eine leichte Trübung, die anderen beiden Proben nicht. Einspritzung von V2 Cbctm. Phosphoröl. 5. April. Urin sauer, Filtrat zeigt mit allen drei Proben schwachen Eiweissgehalt. 6. April. Urin sauer, Filtrat stärker eiweisshaltig mit allen drei Proben. Tod am Abend. Ueber den Befund in den Nieren, welche in den ersten beiden Fällen schon makroskopisch stellenweise Verfettung des Parenchyms zeigten, habe ich oben schon kurz berichtet mit Bezug auf die Frage, wie weit eine Eiweissausscheidung in den Nieren mikroskopisch sichtbar sei, oder nicht (s. S. 35). Die Nieren wurden zuerst frisch untersucht und dann zur einen Hälfte durch Kochen, zur anderen durch starken Al- cohol gehärtet. In den ersten beiden Fällen war in der That ausser Blutung in einzelnen Kapseln und Harncanälchen auch Ablagerung von theils feinkörnigem, theils mehr hyalinem geronnenem Eiweiss in Kapseln und Canälchen sichtbar, in den beiden letzten Fällen war dagegen ausser leichter Verfettung der Epithelien nur eine sehr mas- sige Hyperämie der ßindensubstanz, aber weder in den Kapseln, noch in den Harncanälchen irgend etwas von Eiweissausscheidung zu er- kennen. Zu weiteren Versuchen war bei dem ganz übereinstimmenden Er- gebniss dieser vier Versuche gar keine Veranlassung, denn ich halte es hiernach schon für ganz sicher gestellt, dass auch bei Kaninchen wie bei Hunden durch ganz kleine Mengen Phosphor, welche die Ge- sundheit in kaum merklicher Weise stören und in den Nieren ausser Verfettung der Gewebselemente keine nennenswerthen Veränderungen, namentlich keine sichtbaren Entzündungserscheinungen hervorrufen, Albuminurie hervorgebracht wird. Dass die Eiweissausscheidung in Abhängigkeit d. Albuminurie v. Entartung d. Nierenepithelien. 79 den beiden ersten Fällen in den Kapseln und nicht blos in den Harn- canälchen sichtbar war, ist ein Beweis, dass der Phosphor, wie von vorne herein nicht anders zu erwarten, nicht blos auf die Epithelien der Hanicaiiälchen, soiulcni aiirh auf (iicjenigen der Knäuelgefässe und violleicht auf diese Gefässe selbst schädlich wirkt. Für letzteres sprechen auch die Blutergüsse in den Kapseln. .Mikroskopi.sch war eine Fettentartung innerhalb der Kapseln nicht wahrnehmbar , weil die vergiftenden Phosphormengen ungemein klein genommen waren, doch habe ich in einem Fall von Phosphorvergiftung bei einem Mäd- chen auch die Gefässknäuel in hochgradiger Verfettung gesehen. Die klinischen Beobachtungen von Phosphorvergiftung stimmen mit den experimentellen Ergebnissen vollständig überein, so dass es auffallend erscheint, wie man überhaupt von dem Fehlen der Albuminurie als etwas Regelmässigem bei der Phosphorvergiftung hat sprechen können. Denn Regel ist dabei die Albuminurie und ihr Fehlen die Ausnahme. Schon im Jahre 1864, also zu einer Zeit, wo die Phosphorvergiftung eben erst begonnen hatte, die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, fand Meischner in einer Zu- sammenstellung Albuminurie unter 10 Fällen 7 mal und in einer Ab- handlung aus der jüngsten Zeit giebt Hessler an, sie unter 15 Fällen 12 mal gefunden zu haben "3). Dabei ist die Vermuthung noch ge- rechtfertigt, dass wo es vermisst vvurde, dies vielleicht die Folge der üblichen üntersuchungsmethode mit Kochen war, um so mehr , da gerade bei Phosphorvergiftung, wie ich eben schon erwähnte, Pepton- artige Körper im Urin auftreten (s. S. 8 u. 76). Es scheint fast, als hätte man gewissen Theorieen zu Liebe die Albuminurie hier unberücksich- tigt gelassen, oder vielleicht war auch die Geringfügigkeit derselben der Grund, warum man ihr keine Beachtung geschenkt hat. Aber gerade darin sehe ich einen Beweis dafür, dass wirklich die Fettent- artung der Epithelien und zwar vorzugsweise derjenigen der Harn- canälchen, wie die anatomische Untersuchung lehrt, die Ursache der Albuminurie ist und nicht anderweitige Complicationen , etwa acut entzündliche Processe, denn bei diesen ist der Eiweissgehalt des Urins immer sehr beträchtlich. Bei blosser fettiger Entartung der Epithe- lien dagegen lässt es sich sehr gut begreifen, dass sie abnormer Weise wenig Eiweiss in das Secret hineingelangen lassen, denn immer- hin ist noch die Grundmembran zu passiren und vor Allem werden ja die Epithelien selbst ihre Function nicht sogleich ganz und gar 80 Abhängigkeit d. Albuminurie v. Entartung d. Niereuepit'ielien. eingebüsst haben. Leider fehlt es wieder an sicheren Untersuchungen über das Verhalten des Secrets der Leber, die auch hier eine er- wünschte Analogie bieten würde. Nur aus älterer Zeit liegen zwei Angaben vor, aus welchen man schliessen könnte, dass wirklich bei Verfettung der Drüsenepithelien Eiweiss in das Secret gelangt, wenn diese Angaben hinreichend genau wären. So will Thenard in. sechs Fällen von „Fettleber" 5 mal die Galle eiweisshaltig gefunden haben und Lehmann giebt an, in 2 Fällen „fettiger Lebergranulation" Ei- weiss in der Galle nachgewiesen zu haben ^*). Aber auch ohnedies ist nach allem Vorstehenden sichergestellt, dass bei der nach Phos- phorvergiftung eintretenden Fettentartung der Nierenepithelien die Albuminurie eintritt und man sollte nun wohl aufhören, die Phos- phorvergiftung als Beweis gegen die Abhängigkeit einer Albuminurie von der fettigen Epithelentartung anzuführen, da sie vielmehr einen Beweis für dieselbe liefert. Damit ist nicht gesagt, dass bei der Phosphorvergiftung nicht auch noch andere Momente zur Hervorrufung von Albuminurie mitwirken können. Nicht viel besser steht es mit der Angabe, dass das Fehlen der Albuminurie bei verschiedenen Zuständen von Anämie gegen den Zusammenhang von Albuminurie mit Epithel -Verfettung spreche. Es ist allerdings richtig, dass in vielen Fällen von Anaemie kein Eiweiss im Urin zu finden ist, aber eben so unbestreitbar ist es, dass nicht jede Anämie, selbst nicht, wenn sie einen hohen Grad erreicht hat, mit Verfettung der Nierenepithelien einhergeht, ich brauche nur an die Chlorose zu erinnern. Es sind vorzugsweise ge- wisse perniciöse Formen von Anämie, die zur Fettentartung führen, und hier hat man sich auch wieder durch die Geringfügigkeit der Eiweissausscheidung verleiten lassen, sie ganz zu missachten. Als ob eine geringfügige Albuminurie nicht auch eine Albuminurie wäre und ihre Beachtung verdiente, so gut wie die Stauungsalbuminurie, die auch gewöhnlich sehr geringfügig ist. Was es mit dem „Fehlen der Albuminurie" bei den perniciösen Anämien auf sich hat, beweist allein der Umstand, dass während der Eine von seinem Standpunkt aus einen besonderen Nachdruck darauf legt, ein Anderer gerade das Vorkommen von Albuminurie bei der perniciösen progressiven An- ämie zu Gunsten seiner abweichenden Anschauung verwerthef^). In der That kommt Albuminurie bei schweren Formen von Anämie, wo man Grund zur Annahme einer fettigen Epitheldegeneration hat oder Abhängigkeit d. Albuminurie v. Entartung d. Nierenepithelien. 81 sie nachträglich in der Leiche nachweisen kann, oft genug vor und wenn Manche sie als selten betrachten, seltener als ich selbst meinen Erfahrungen nach glaube annehmen zu müssen, so liegt es wulil wieder daran, dass der Eiweissgehalt des Urins in solchen Fällen, wenn keine anderweitigen Krankhcitszustände mitspielen, allerdings unbedeutend ist und bei der üblichen, wenig zuverlässigen Kochprobe oft genug übersehen wird. Und wenn die Albuminurie auch nicht ausnahmslos vorkommt, und selbst in einer grösseren Zahl von Fällen fehlen sollte, so beweist auch dies nicht, dass der Zustand der Epithelien gleich- gültig sei, denn es wird wohl von der Stärke der Entartung abhängen, wie weit ihre Function gestört wird und ob die Störung bis zu dem Grade gediehen ist, dass sie für uns in die Erscheinung tritt und sich nachweisen lässt. Man muss sich hüten, ganz im Allgemeinen auf die Wichtigkeit oder Unwichtigkeit von Störungen zu schliessen, die vielleicht mit einer gewissen Regelmässigkeit auftreten, aber in ver- schiedener Intensität und danach von verschiedener Wichtigkeit sein können. Man weiss z. B., dass bei Phosphorvergiftung regelmässig eine fettige Entartung der Labdrüsenepithelien vorkommt und zwar auch wenn der Phosphor nicht durch den Magen einverleibt worden ist und dennoch sind die Störungen von Seiten des Magens manchmal namentlich dann, wenn das Gift nicht direct in den Magen gebracht wurde, ganz unbedeutend oder auch gar nicht ausgesprochen. Hat man deshalb ein Recht, den Zustand der Labdrüsen und ihrer Epi- thelien als gleichgültig für die Magenfunction zu bezeichnen und muss man nicht vielmehr annehmen, dass in solchen Fällen die Entartung nicht hochgradig genug gewesen ist, um sichtbare Störungen her- vorzurufen? Wir müssen dies annehmen, weil wir aus anderwei- tigen Erfahrungen wissen, welche Bedeutung die Labdrüsen für die Magenfunction haben. Nicht anders liegt die Sache bei den Epithelien der Harncanälchen. Wir schreiben ihnen und gerade nur ihnen die Fähigkeit und die Aufgabe zu, dem Eiweiss des Blutes der inter- stitiellen Gefässe und der Lymphe den Durchtritt in das Innere der Harncanälchen zu verwehren und müssen also nothgedrungen schliessen, dass bei einem gewissen Grade ihrer Degeneration sei es fettiger, sei es andersartiger, diese Aufgabe nicht erfüllt werden kann. Wohlge- merkt, bei fettiger Degeneration, nicht aber bei Fettinfiltration! Es wäre kaum nöthig, auf den Unterschied dieser beiden Zustände hinzuweisen, wenn man nicht auch das physiologische Vorkommen H. äeuator: Di« Albuminurie. C 82 Abhängigkeit d. Albuminurie v. Entartung d. Nierenepitbelien. fetthaltiger Epithelien in den Nieren mancher Thiere, z. B. Hunde und Katzen, für die Bedeutungslosigkeit der „Verfettung" angeführt hätte ^^). Aber in diesen Fällen handelt es sich um Fettinfiltra- tion, und es bedarf keines Beweises dafür, dass ein Anderes die Aufnahme von Fett in sonst gesunde Zellen, ein Anderes die TJm- wandelung des Zellenleibes in Fett ist und dass die „Verfettung" in beiden Fällen von ganz verschiedener Bedeutung für die Function der Zelle ist. Beiläufig aber findet sich gerade auch bei Hunden und Katzen oft genug eine „physiologische Albuminurie", die aber mit dem Fettgehalt der Epithelien Nichts zu thun, sondern andere- Ur- sachen hat (s. oben S. 20 Anm.). — Eine fettige Entartung der Nierenepi- thelien tritt bei Thieren auch nach lange fortgesetzter Ueberhitzung ein. Eiweiss findet sich aber im Harn schon im Beginn der Erwärmung lange bevor eine Verfettung nachweisbar ist und hat, wie früher gezeigt wurde andere Ursachen (s. S. 45.) Wenn es aber im weiteren Verlauf, woran man wohl nicht zweifeln kann, wenn mir auch nichts darüber bekannt geworden ist, ebenfalls im Harn sich findet, so wird die Entartung der Epithelien wohl ihren Antheil dabei haben um so mehr, als die- jenige Ursache, welcher wir im Beginn der Erwärmung das Erscheinen der Albuminurie haben zuschreiben müssen, die Blutdruckerhöhung, mit der Dauer der abnorm hohen Temperatur und ihrer deletären Ein- wirkung auf den Herzmuskel zu wirken aufhört. Eine andere Form von Epithelentartung, die parenchymatöse Degeneration, kommt bekanntlich bei fieberhaften Infectionskrank- heiten vor. In eben denselben Krankheiten kommt, wie nicht minder bekannt, Albuminurie, die man als „febrile Albuminurie" bezeichnet, vor und zwar geht es mit dieser hier gerade so, wie mit derjenigen bei Phosphorvergiftung und bei perniciösen Anämieen, d. h. sie ist, wenn auch meist stärker als bei diesen Zuständen, doch im Allge- meinen auch nicht bedeutend, namentlich im Vergleich mit den bei Nephritis oder Amyloidentartung der Nieren vorkommenden Albumi- nurien. Deswegen hat man sie früher nicht gekannt, oder nicht beachtet, sondern erst in neuerer Zeit der Beachtung gewürdigt und bekommt sie immer mehr zur Beobachtung, je mehr Sorgfalt man auf den Eiweissnachweis verwendet. Während noch vor wenigen Jahren von einer „febrilen Albuminurie" kaum gesprochen wurde, ist sie jetzt als eine gewöhnliche Erscheinung allgemein anerkannt. Ueber die Rolle, welche etwa die parenchymatös entarteten Epithelien bei dieser Abhängigkeit d. Albuminurie v. Entartung d. Nierenepithelien. 83 Albuminurie spielen, lässt sich jedoch schwer urtheilen, weil stets noch eine Reihe anderweitiger Bedingungen dabei mitwirken, welchen man mit demselben und mit nocli grösserem Recht einen Einfluss zu- schreiben muss, wie später noch gezeigt werden wird (s. unten VI.). Endlich giebt es eine cigenthüraliehe Entartung der Epithelien, die Coagulationssecrose, welche durch gewisse Gifte, namentlich Chromsäure, dann durch Petroleum, auch durch Crotonöl und Cantha- ridin sich künstlich in typischer Weise hervorbringen lässt. Bei allen diesen Vergiftungen tritt, wie Ger gen namentlich für die Chromsäure gefunden hat, sehr schnell Albuminurie ein; bei der Petroleumver- giftung fand Lassar noch das Eigenthümliche, dass der Ausscheidung von in der Hitze gerinnbarem Eiwciss (Serumalbumin und Globulin), also der eigentlichen Albuminurie ein Stadium von Propeptonurie voraufgeht (s. S. 10). Nach Weigert (Kabierske) sind bei den niit Chromsalzen vergifteten Thieren nach einer Reihe von Stunden nur die Epithelien der gewundenen Harncanälchen von der Entartung betroffen, während die Gefässknäuel, das interstitielle Gewebe und die Epithelien der geraden Harncanälchen sich wohl erhalten zeigen. Ebenso beschreibt Lassar das Verhalten der Nieren nach Petroleum- vergiftung und er sowohl, wie Kabierske haben sich noch insbesondere durch Injectionsversuche mit indigschwefelsaurem Natron, welches bei gehöriger Versuchsanordnung, wie Heidenhain gezeigt hat, bekannt- lich nur von den Epithelien der Harncanälchen abgesondert wird, von deren Abtödtung durch Chromsäure und durch Petroleum bei schein- barer Unversehrtheit aller übrigen Gewebselemente überzeugt. Gleich- wohl muss man doch annehmen, dass die Schädigung sich nicht aus- schliesslich auf jene Epithelien und den eigentlichen secretorischen Apparat beschränkt, denn man findet nach Posner, Voorhoeve und Kabierske bei der mikroskopischen Untersuchung solcher Chrom- niereu Eiweiss nicht bloss in den Harncanälchen, wo es die Epi- theltrümmer von der Grundmembran abgedrängt hat, son- dern auch in den Bowm an -Müll er 'sehen Kapseln abgelagert und den gleichen Befund haben Browicz und Voorhoeve bei Vergiftung mit Cantharidin gemacht, nur sind hier doch auch schon entzündliche Veränderungen angedeutet gewesen. Das Eiweiss stammt hier also, ähnlich wie bei der Phosphorvergiftuug, zum Theil augenscheinlich aus dem interstitiellen Gefässsystem, zum anderen Theil aus den Knäuelgefässeu, welche mitsammt ihrem Epithelbelag, wenn auch 84 Abhängigkeit d. Altummurie v. Entartung d. Nierenepithelien. in mikroskopisch nicht erkennbarer Weise, ebenfalls gelitten haben, denn das geht aus den auch hier in den Kapseln und Harncanälchen nachweisbaren Blutergüssen hervor ''''). Alles in Allem ergiebt sich demnach, dass bei jeder Art von Degeneration der Epithelien und zwar vorzugsweise der Epi- thelien der gewundenen Harncanälchen Albuminurie, mit einer ge- wissen Regelmässigkeit vorkommt und dass ferner unter diesen Umständen vielleicht eben so regelmässig Peptonurie und Propep- tonurie auftritt, welche wie Lassar gezeigt hat und wie auch nach anderen Erfahrungen (S. 12) nicht unwahrscheinlich ist, in die eigentliche Albuminurie übergehen kann, übrigens bei der ge- wöhnlichen Untersuchungsmethode übersehen wird. Ob man es nun hiernach schon als bewiesen ansehen will, dass allein die Entartung des Epithels in dem Sinne, wie wir schon auseinandergesetzt haben, den Austritt von Eiweiss verschulde oder nicht, das wird ganz davon ab- hängen, welche Beweiskraft man der mikroskopischen Untersuchung zuerkennt. Wer sich auf den Standpunkt stellt, keine Schädigung anzu- erkennen, die nicht einmal mikroskopisch nachweisbar ist, der müsste den Zusammenhang der Albuminurie mit der Epitheldegeneration für vollständig erwiesen halten, da die geübtesten Mikroskopiker nichts Anderes haben entdecken können. Ich meinerseits theile diesen Stand- punkt nicht, in welchem ich ebenso eine Ueberschätzung der Leistungs- fähigkeit des Mikroskops sehe, wie in dem Versuch, das normale Kapseltranssudat mikroskopisch auf seinen Eiweissgehalt zu prüfen (s.S. 34 ff.). Ich bin also vs^eit entfernt davon, in allen angeführten Be- obachtungen schon einen strengen Beweis für die Abhängigkeit der Albuminurie von der Epithelentartung zu sehen, wohl aber sehe ich darin einen starken Gegenbeweis gegen die Behauptung, dass der Zu- stand der Harncanälchenepithelien gleichgültig für die Albuminurie sei. Diese Behauptung ist noch weniger bewiesen. Andererseits wird man die mikroskopische Untersuchung nicht so weit unterschätzen dürfen, um sie als ganz werthlos ausser Acht zu lassen. Diese Untersuchung ergiebt bei der in Rede stehenden Art von Albuminurie stets eine hochgradige Entartung der Harncanälchen, sonst aber keine auffallende Gewebsänderung. Nicht mehr und nicht weniger. Sie macht es also in hohem Grade wahrscheinlich, dass zwischen beiden ein Zu- sammenhang besteht und dass dem Untergang der Epithelien mindestens ein grosser Antheil an der Entstehung der Albuminurie zukomme. Abhängigkeit d. Albuminurie v. Entartung d. Nierenepithelien. 85 Zur Gewissheit wird dies erst dadurch, dass diese Beobachtungen nur die Bestätigung bilden für Das, was die Theorie von der Drüsen- absonderung und der Function der Drüsenepithelien im Voraus als nothwendiges Erfordcrniss hingestellt hatte, nämlich, dass mit dem Untergang dieser Epithelien der Damm für das Eiweiss des interstitiellen Gefässsysteras durchbrochen wird. Eine Eigenthüralichkeit, welche die Albuminurie bei den ver- schiedenen Formen von Epitheldegeneration aufweist, wird von diesem Standpunkt aus auch sofort verständlich. Bei der fettigen Entartung, wie in der Phosphorvergiftung oder in den perniciösen Anämieen, ist die Ausscheidung gerinnbaren Eiweisses, wie ich schon angab, gewöhn- lich nur unbedeutend, bei der Coagulationsnecrose durch Chromsalze oder Petroleum findet hingegen sich ein reichlicher Eiweissgehalt im Urin. Dort kommt die Entartung zu Stande durch Umwandelung des Protoplasmas der Zellen in Fett, die aber doch gewöhnlich noch im Zusammenhang und auf ihrem Platze bleiben, wenn schon der Tod eintritt, hier dagegen findet, wie Weigert sich ausdrückt, „eine brüske Abtödtung" und massenhafte Abstossung der Zellen statt. Es ist klar, dass bei dieser letzteren Schädigung, bei dem jähen Untergang der ganzen Zellbekleidung ihre Function nahezu oder auch gänzlich aufgehoben und jedenfalls viel schwerer gestört sein muss, als bei jener leichteren Entartung, bei welcher so zu sagen der Damm gegen den Eiweissstrom wohl beschädigt, aber doch nicht ganz weggerissen wird. Wenigstens nicht in der Regel, denn dass auch die fettige Entartung schliesslich bis zum gänzlichen Zerfall und zur Ablösung der Zellen führen kann und damit ausnahmsweise ein Mal zu einer stärkeren Albuminurie, ist ja selbstverständlich, ebenso wie dass in. solchen Fällen die Abstossung dieser fettig entarteten Zellen und ihr Uebergang in den Urin zugleich mit dein Eiweiss eine x\rt von Chylurie erzeugen wird, eine Chylurie durch Phosphorvergiftung, die auch wirklich beobachtet worden ist. ''^) Es führt uns dies dazu, noch der Möglichkeit zu gedenken, dass eine Albuminurie einfach durch den Uebergang von abgestossenen Epithelien aus irgend einem Abschnitt des Nierenparenchyms in den Urin zu Stande kommt. Schon vor Jahren habe ich auf diese Mög- lichkeit hingewiesen und man muss, glaube ich, von vorne herein ohne jedes Bedenken zugeben, dass, wenn Epithel abgestossen wird, nicht blos das in den Zellenleibern noch enthaltene, fixirte, also ungelöste Eiweiss in 86 Abhängigkeit d. Albuminurie v. Entartuug d. Nierenepithelien. den Urin gelangt, was ja selbstverständlich ist, wenn nicht etwa alle Zellen sammt und sonders in Fett umgewandelt sind, sondern auch dass ein Theil des zerfallenden und sich verflüssigenden Protoplasmas in dem vorüberziehenden Strom gelöst werden kann'^^). Zu bestreiten ist Dies wohl nicht und es ist auch nicht bestritten worden, aber ma^ hat einen solchen Vorgang gar keiner Beachtung werth gehalten, wie es scheint in Folge der Vorstellung, welcher Bartels Ausdruck giebt^^^, dass diese Beimengungen von Eiweiss nur „minimale Mengen" betragen können, einer Vorstellung, die wiederum, wie bei der Phosphorver- giftung und anderen Formen von Albuminurie, zu dem Fehler der gänzlichen Missachtung geführt hat. Aber eine noch so geringfügige Albuminurie ist doch eben eine Albuminurie und es ist um so mehr zu verwundern, dass davon so gar kein Aufhebens gemacht wird, als man doch mit der Eiweissausscheidung bei Nierenstauung, die wie Bartels selbst so richtig hervorhebt, „selten mehr als 0,1 pCt." des Urins beträgt, sich gar nicht genug hat beschäftigen könnnen. Ist eine Eiweissausscheidung, die innerhalb eines ganzen Tages, wenn es hoch kommt, einen halben bis einen ganzen Gramm Eiweiss zu Tage fördert, wie gewöhnlich bei Nierenstauung, nicht so minimal, dass sie unterhalb der Grenze, wo sie Berücksichtigung zu verdienen anfängt, liegt, so dürfte auch jene durch den Zerfall der Epithelien mög- licherweise entstehende Albuminurie einigen Anspruch auf Berück- sichtigung haben. Denn warum muss denn diese gar so minimal sein? Sollte die Masse aller Epithelien, welche unter Umständen zu Grunde gehen und abgestossen werden können, also der Kapselepithelien, der Knäuelepithelien und der Epithelien aller Abschnitte sämmtlicher Harncanälchen nicht so viel betragen, um täglich einen halben bis einen ganzen Gramm Eiweiss liefern zu können, auch wenn alle diese Epithelien nicht auf einmal zugleich zu Grunde gehen? Meiner Meinung nach scheint Das, wenn man den Antheil, welchen alle diese Epithelien an dem Gewicht des Nierenparenchyms haben, abschätzt, sehr wohl möglich. Wenn hiergegen Nichts einzuwenden ist, und ich sehe in der That keinen irgend stichhaltigen Einwand, so wird man auch zugeben müssen, dass eben durch den Zerfall und die Auflösung der Zellen Eiweisskörper, welche von dem Eiweiss der gewöhnlichen Albuminurie abweichen, in den Urin gelangen können. Das Zellprotoplasma über- haupt scheint dem Globulin ähnliche Eiweisskörper (Vitellin und Myo- Abhängigkeit d. Albuminurie v. Entartung d, Nierenepithelien. 87 sin) zu enthalten, die als solche oder in irgend einer Uniwandlungs- stufe in den Urin gelangen können, ja nach der Untersuchung von Gottwalt enthalten die vom Blut befreiten Nieren 7 bis 8 Mal soviel Globulin, als Serumalburain^'). Bekanntlich findet sich Glo- bulin im Harn neben Serumalbumin in sehr wechselnden Mengen, so dass man vielleicht daran denken könnte, dass je nachdem Eiweiss vom Nierenparenchym sich dem Urin zumischt, derselbe ärmer oder reicher an Globulin im Verhältniss zum Seruraalbumin würde. Mehr aber, als diese Vermuthung lässt sich hierüber bei unserer mangelhaften Einsicht in die chemischen Vorgänge der lebenden und absterbenden Zellen nicht aussprechen. Immerhin schien mir die Hindeutung darauf gerechtfertigt, da gerade bei diesem mit raschem und massenhaften Epitheluntergang verbundenen Albuminurien mancherlei von den ge- wöhnlichen abweichenhe Eiweissreactionen gefunden worden sind. Doch ist dies nicht die einzige Möglichkeit, das Auftreten ungewöhn- licher Eiweissformen im Urin zu erklären, denn die letzteren könnten auch, was noch mehr Wahrscheinlichkeit für sich hat, den Nieren mit dem Blut zugeführt werden, in Folge einer Mischungsänderung des letzteren. Zur Besprechung dieser, so weit sie auf eine Albuminurie von Einfluss sein können, wenden wir uns jetzt. V. lieber den Einfluss der Blutbeschaffenheit auf die Albuminurie. Dass eine abnorme Beschaffenheit der Blutflüssigkeit Ursache von Albuminurie sei, ist die älteste schon von dem Entdecker des Eiweiss- harns, Cotugno, angedeutete und noch mehr bei seinen Zeitgenossen und unmittelbaren Nachfolgern verbreitete Ansicht, welche so lange unerschüttert bleiben musste, als der Zusammenhang zwischen Albu- minurie mit Wassersucht und Erkrankungen der Nieren unbekannt war. Aber auch nach der Entdeckung dieses Zusammenhanges durch 11. ßright beherrschte diese Ansicht noch lange die Vorstellungen der Aerzte, wurde dann aber allmählich in den Hintergrund gedrängt, als 88 Einfluss der Blutbeschaffenheit auf die Albuminurie. die fortschreitende Forschung immer mannigfaltigere Störungen der Nieren, bei den mit Albuminurie einhergehenden Krankheiten, dagegen wenig oder gar Nichts von den gemuthmaassten Blutveränderungen erkennen liess. Diese Blutveränderungen sollten nämlich in einer fehlerhaften Beschaffenheit des Eiweisses begründet sein, vermöge deren es, abweichend von dem normalen Eiweiss der Blutflüssigkeit, in den Harn überginge, und die Ursache für diese fehlerhafte Beschaffenheit wurde wieder in Abnormitäten der Verdauung oder des Stoffwechsels, in Zurückhaltung von Auswurfsstoffen u. dgl. m. gesucht. Indessen zur Begründung dieser Vorstellungen konnten nur mehr oder weniger nebelhafte Vermuthungen und willkürliche Annahmen beigebracht wer- den, und so war Nichts natürlicher, als dass die Theorien, welche die Ursache der Albuminurie in das Blut verlegten, die Theorien der hä- matogenen Albuminurie, zu Gunsten der Theorie von der nephro- genen Albuminurie verlassen wurde, so dass jene heutzutage wohl nur noch sehr wenige Anhänger zählt®-). Zum üeberfluss hat Stokvis durch sehr sinnreiche Experimente nachgewiesen, dass wenig- stens in den gewöhnlichen Fällen von ^Albuminurie und Wassersucht oder von sogenannter „Bright'scher Krankheit" und Amyloidentartung der Nieren das Eiweiss gar nicht die Fähigkeit hat, bei gesunden Nieren Albuminurie zu erzeugen, wenigstens nicht in der Regel. Denn wurde eiweisshaltiger Urin oder Blutseram von Patienten mit Albu- minurie gesunden Thieren in das Blut oder unter die Haut gespritzt, so liess sich unter 23 Fällen 21 Mal kein Eiweiss im Urin auffinden. In den zwei Fällen, in welchen Albuminurie eintrat, war, sehr be- merkenswerther Weise, der Urin zur Einspritzung von einem Patienten entnommen, welcher Albuminurie ohne nachweisbares Nieren- leiden hatte. Stokvis schliesst daraus sehr vorsichtig, es sei in der Mehrzahl der Fälle eine Modification des Bluteiweisses als Ursache der Albuminurie nicht vorhanden, ob ausnahmsweise eine solche vor- komme, was von vorneherein nicht unwahrscheinlich sei, müsse bis auf Weiteres unentschieden bleiben ^^). Dieser Schlussfolgerung muss man sich meiner Meinung nach im Ganzen und Grossen anschliessen, sie entspricht auch heute, nach beinahe anderthalb Jahrzehnten, noch dem thatsächlichen Stande unseres Wissens. Man muss namentlich die Meinung durchaus verwerfen, wonach bei Nierenkrankheiten, namentlich bei den früher und zum Theil auch jetzt noch unter dem Namen „Bright'sche Nierenkrankheit" zusammengefassten Zuständen Einflass der Blutbeschaffeubeit auf die Albuminurie. 89 einschliesslich der Aniyloidentartung und der Stauungsniere, wonach, sage ich, bei diesen Zuständen die unmittelbare Ursache der Albu- minurie eine Blutveränderung sein soll. Dieselbe ist vieiraehr ganz zweifellos in dem Nierenleiden zu suchen. Dieses letztere aller- dings kann (und dies ist sogar höchst wahrscheinlich) seinen Ur- sprung häufig aus einer fehlerhaften Blutbeschaffenheit nehmen, die sich somit allenfalls als mittelbare Ursache der Albuminurie in solchen Fällen bezeichnen liesse. Schwierigkeiten könnte die Erklärung der Albuminurie in den- jenigen, viel selteneren Fällen machen, in welchen kein Nierenleiden besteht. Dass es solche Fälle giebt, dass nicht jede Albuminurie Symptom einer Nephritis oder eines sonst irgendwie gearteten nach- weisbaren Nierenleidens ist, kann ja nicht bezweifelt werden. Ich brauche nur an die oben ausführlich besprochene Albuminurie ganz gesunder Menschen zu erinnern (S. 15 ff.) oder an die Albuminurie bei Kranken, die sonst gar kein Zeichen eines Nierenleidens darbieten und bei denen auch, wenn aus irgend einem Grunde der Tod eintritt, die sorgfältigste Untersuchung keine Abnormität in den Nieren auf- zufinden vermag, nicht einmal irgend eine Entartung der Epithelien, eine parenchymatöse Schwellung und Trübung, die ja von Vielen als etwas für die AlbuminurieBedeutungsloses angesehen wird. Wir haben allerdings auch schon in gewissen Kreislaufsverhältnissen Bedingungen kennen gelernt, welche ohne Gewebsstörung im Nierenparenchym Albuminurie bewirken können, aber es lassen sich nicht in allen derartigen Fällen Kreislaufsänderungen mit Sicherheit nachweisen und auch nicht einmal ohne Zwang wahrscheinlich machen. Für solche Fälle, scheint mir, rauss man die Möglichkeit zulassen, dass Aenderungen der Blut- mischung der Albuminurie zu Grunde liegen. Ich sage absicht- lich: Aenderungen der Blutmischung und nicht Aenderungen der Eiweisskörper des Blutes, wie es bisher allgemein bei Den- jenigen lautete, welche einer hämatogenen Albuminurie das Wort geredet haben. Nicht als ob ich eine abnorme Beschaffenheit der Eiweisskörper für unmöglich hielte, im Gegentheil, ich halte sie nicht nur für möglich, sondern sogar in manchen Fällen ,für nicht un- wahrscheinlich und werde die Gründe dafür gleich angeben, aber ich halte es für mindestens ebenso wahrscheinlich, dass noch andere Mischungsänderungen des Blutes, welche mit einer abnormen Be- schaffenheit des Eiweisses nichts zu lliun haben, eine Albuminurie 90 Einfluss der Blutbescliaffenheit auf die Albuminurie. hervorrufen könneü, und zwar habe ich dabei nicht hypothetische, sondern zweifellos nachgewiesene Mischungsveränderungen im Sinne. Denn die Harnabsonderung beruht, worüber wir uns ja oben hin- länglich ausgesprochen haben, zu einem wesentlichen Theil auf einer Filtration aus dem Blutplasma, d. h. aus einer salzhaltigen Eiweiss- lösung, und nach den zahlreichen Untersuchungen, welche über die Filtration solcher Flüssigkeiten angestellt sind, kann man es als ganz sicher betrachten, dass der Eiweissgehalt des Filtrats bei sonst gleichen Bedingungen abhängig ist von dem Gehalt der ursprünglichen Flüssig- keit an Eiweiss und an Salzen. Je reicher die letztere an Eiweiss ist, um so mehr Eiweiss wird, alles Andere gleich- gesetzt, das Filtrat enthalten, wenn auch der Gehalt des Fil- trats daran nicht genau proportional dem Gehalt der ursprünglichen Flüssigkeit steigt und fällt. Was den Einfluss des Salzgehalts be- trifft, so haben die Untersuchungen von Hoppe-Se3^1er, v. Wittich und Nasse trotz kleiner Abweichungen im Einzelnen doch in der Hauptsache übereinstimmend ergeben, dass mit Steigerung des Salzgehalts der Flüssigkeit die filtrirende Eiweissmenge zunimmt, und zwar gilt dies ganz besonders vom Kochsalz, mit welchem die meisten Untersuchungen angestellt sind, aber auch von anderen Salzen (Salpeter, Chlorcalcium) und, was namentlich noch von Wichtigkeit, auch vom Harnstoff, dessen den Eiweissdurchtritt be- fördernde Wirkung Hoppe-Seyler und neuerdings Newman ge- funden haben ^^). Wem diese Thatsachen gegenwärtig sind, der wird sich gegen den Gedanken einer hämatogenen Albuminurie nicht so ablehnend ver- halten, wie jetzt fast allgemein geschieht, denn Niemand kann auch nur einen Augenblick darüber in Zweifel sein, dass sowohl das in Lösung befindliche Eiweiss, wie die Salze des Blutes unter mancherlei normalen und pathologischen Verhältnissen eine Zunahme erfahren können und auch wirklich erfahren. Schon jede Mahlzeit, die nicht etwa unverhältnissmässig viel Wasser oder unnatürlich wenig Eiweiss und Salze enthält, kann die Zusammensetzung des Blutes in dem angedeuteten Sinne ändern und kann demnach zu einer Ursache für Albuminurie werden dadurch, dass mehr Eiweiss als normal durch die Knäuelgefässe transsudirt. In der That ist die Albuminurie bei gesunden Nieren von vielen Beobachtern gerade während der Ver- dauung wahrgenommen worden (s. S. 19) und deswegen mit dem beson- Einfluss der Blutbeschaffeuheil auf die Albuminurie. 91 deren Namen „Verdauungsalbuminurie" (Albuminuria alimentaria) belegt werden. Dass auch bei den gewöhnlichen Formen der krank- haften Albuminurie die Verdauung leicht eine Steigerung der Eiweiss- ausscheidung verursacht, ganz unabhängig von anderen Bedingungen, ist eine schon von Parkes und Gubler^^) beobachtete, von Brun- ton und Power^^) genauer studirte Erfahrung, die man sehr häufig bestätigt finden kann. Uebrigens kommt ausser der Zunahme des Eiweisses und der Salze nach den eben angeführten Untersuchungen Hoppe-Seyler's und Newman's auch noch die Vermehrung des Harnstoffgehalts im Blute in Betracht, welche einige Zeit nach der Verdauung eiweisshaltiger Kost eintritt und sich in der Zunahme der zur Ausscheidung gelangenden Harnstoffmengen zn erkennen giebt. Andererseits aber wird ja bekanntlich während der Verdauung die Harnmenge vermehrt, und zwar zum Theil unabhängig von dem Fil- trationsvorgang und in grösserem Maasse als dieser, weil zugleich auch die eigentliche Drüsensecretion (durch den Harnstoff, die Salze etc.) vermehrt wird. Darin aber liegt, wie oben (S. 28,39) schon ausgeführt wurde, ein Moment, welches die Erkennung des Eiweissgehaltes im Urin in den meisten Fällen erschweren muss. Denn wenn zwar durch die Knäuelgefässe eine eiweissreichere Flüssigkeit transsudirt, zugleich aber von den Drüsenepithelien auch eine grössere Menge eiweissfreien Secrets sich hinzugesellt, so kann natürlich der Eiweissgehalt des gesammten fertigen Harns derselbe verschwindend kleine bleiben, wie ausserhalb der Verdauungszeit oder vielleicht gar noch unter denselben sinken. Es wird also des Zusammentreffens ganz besonders günstiger Um- stände bedürfen, damit eine Verdauungsalbuminurie zum Vorschein kommt und zwar wird man sie wohl am ehesten zu erwarten haben nach einer sehr eiweissreichen , aber wasserarmen Kost. Weniger günstig wird ein starker Salzgehalt der Nahrung sein, da die ge- wöhnlichen Salze derselben nach beiden Richtungen hin wirksam sein können, indem sie einerseits zwar die Eiweissfiltration in den Knäueln begünstigen, andererseits aber auch die Wasserabsonderung durch die Drüsenepithelien. Die Erfahrungen bestätigen jene rein theoretisch abgeleitete Voraussetzung sehr gut, denn gewöhnlich ist es eine stark animalische Kost, nach welcher die Verdauungsalbumi- nurie beobachtet wird. Schon Christison kannte die vorübergehende Albuminurie bei Leuten, die viel Käse assen^^), ich selbst habe oben (S. 19) von der gleichen Erscheinung bei einem sonst ganz gesunden 92 Einfluss der Blutbeschaffenheit auf die Albuminurie. Arzte fast nach jeder reichlichen Pleischmahlzeit berichtet und in der Litteratur finden sich manche ähnliche Beobachtungen verzeichnet. Doch habe ich hierbei nicht blos die Beobachtungen von Albuminurie nach Genuss von Eiern im Sinne, weil diese nur zum Theil auf dieselbe Ursache zurückzuführen, in der Hauptsache aber anders zu erklären ist. (S. S. 93.) Unter pathologischen Verhältnissen kommen höchst wahr- scheinlich ähnliche Veränderungen in dem Gehalt des Blutes an Eiweiss und Salzen, nämlich eine, sei es absolute, sei es relative, Vermehrung, vor. Doch kann man diese mehr nur aus theoretischen Gründen annehmen, denn beweiskräftige Untersuchungen darüber fehlen zur Zeit noch gänzlich. Nur in Betreff der Cholera und an- derer mit starken wässerigen Ausleerungen verbundenen Zustän- den wissen wir durch C. Schmidt 's classische Untersuchungen, dass eine relative Zunahme des Eiweisses und während ganz kurzer Zeit auch der Salze im Blute stattfindet^^). Etwas mehr wissen wir von der Zunahme des Harnstoffs in Krankheiten. So ist für den fieberhaften Zustand eine Zunahme des Harnstoffgehalts im Blut von Gscheidlen^^) nachgewiesen und ebenso, wie im Fieber wird es sich wohl in allen denjenigen Zuständen verhalten, bei welchen ein gesteigerter Eiweisszerfall zugleich mit sinkender Harnabsonderung einhergeht, wie bei der Phosphorvergiftung nach Storch, Bauer, Cazeneuve, bei ungenügender Sauerstoffzufuhr nach A. Frän- kel^"). In allen diesen Fällen wird abnorm viel Harnstoff gebildet und auch mit dem Harn ausgeschieden, indess kann doch die Aus- scheidung sehr leicht hinter der Mehrbildung zurückbleiben, weil aus Gründen, auf die wir hier nicht einzugehen brauchen, die Merenthätig- keit gleichzeitig sehr darnieder liegt. Es wird also zu einer Anhäu- fung von Harnstoff im Blut auch in solchen Fällen kommen können, während in anderen Fällen, wo der gesteigerten Harnstoffbildung eine gesteigerte Harn- und Harnstoffabsonderung entspricht, wie z. B. bei Diabetes, von einer Anhäufung keine Rede sein wird. Eine Anhäufung von Harnstoff im Blute ist ferner mit Sicherheit nachgewiesen bei Er- krankungen der Nieren selbst, einfach in Folge der behinderten Aus- scheidung desselben und immer auch mit Verminderung der Harnmenge. In allen diesen Fällen nun, in denen eine Zunahme des Eiweisses oder des Harnstoffs und vielleicht auch der Salze stattfindet, ist damit ein Moment gegeben, welches eine stärkere Eiweisstranssudation und Einfluss der Blutbeschaffenheit auf die Albuminurie. 93 somit Albuminurie bedingen kann. Aber es ist keineswegs das einzige Moment, denn gerade in den genannten Zuständen tritt nocli eine Anzahl mehr oder minder wirksamer Bedingungen mit in's Spiel, welche dieselbe Wirkung hervorbringen können, so bei der Phosphor- vergiftung die Entartung der Epithelien, die Abnahme der Harnmenge in Folge des verminderten arteriellen Drucks; letztere ist auch bei starken wässerigen Ausleerungen, bei der Cholera, heftigen Diarrhöen etc. vorhanden und vollends im Fieber wirken, wovon wir noch besonders sprechen werden, noch viele andere Momente zusammen, um eine Al- buminurie erklärlich zu machen. Während sonach die Annahme, dass quantitative Aenderungen der Blutmischung unter Umständen Anlass zum Auftreten von Albu- minurie, oder zur Steigerung einer schon vorhandenen Albuminurie geben können, auf einer sicheren Grundlage von Thatsachen beruht, lassen sich für die andere Annahme, welche bisher immer allein von den Anhängern der hämatogenen Albuminurie vertheidigt wurde, für die Annahme, dass diese aus qualitativen Aenderungen des Blut- eiweisses ihren Ursprung nehmen, gleich sichere positive That- sachen nicht beibringen, sondern nur mancherlei Gründe, welche ihr einige Wahrscheinlichkeit verleihen können. Doch gilt dies nur für die pathologische Albuminurie, denn eine physiologische Albu- minurie kommt ganz zweifellos durch eine qualitative Aenderung des Bluteiweisses zu Stande. Es ist dies die Albuminurie nach Ein- führung von Hühnereiweiss in's Blut und zwar nicht blos nach der unmittelbaren Einspritzung oder nach Einspritzung unter die Haut, wie sie experimentell vielfach geübt worden ist, sondern auch nach der Einführung in den Magen. Zahlreiche Beobachter, nämlich Tegart, Brown-Sequard, Becquerel und Barreswil, Hammond, Gl. Bernard, J. Chr. Lehmann, Stokvis haben theils bei sich selbst, theils bei anderen Personen oder bei Kaninchen und Hunden nach reichlichem, oder längere Zeit fortgesetztem Genuss von Eiern Albuminurie beobachtete^). Gewöhnlich wird diese Albuminurie durch die leichtere Filtrirbarkeit des Hühnereiweisses erklärt, welches eben in Folge davon leichter durch die Knäuelgefässe hindurchtritt, als die normalen Eiweisskörper des Blutes und ich habe oben (S. 23) bereits darauf hingewiesen, wie in dieser allgemein angenommenen Erklärung allein schon eine Anerkennung der Theorie, dass wirklich durch jene Gefässe die Eiweisskörper filtriren, nur je nach ihrer 94 Einfluss der Blufbeschaffenheit auf die Albuminurie. Filtrirbarkeit in verschieden grosser Menge, enthalten sei. Nach den Untersuchungen von Lehmann, Stokvis undCreite^^) ist es auch nicht zweifelhaft, dass wirklich das Hühnereiweiss als solches aus- geschieden wird und dass in der Mehrzahl der Fälle mit seiner Aus- scheidung die Albuminurie schwindet. Man muss also annehmen, dass in jenen Fällen reichlicher Einführung von Eiern in den Magen wenigstens ein Theil der Einwirkung der Verdauungssäfte entgangen und unverändert in das Blut gelangt sei, zumal da es Stokvis nicht gelang, bei Kaninchen durch Einführung von geronnenem Eiweiss in den Magen Albuminurie zu erzeugen. Der wirklich verdaute Theil mag dann auch noch seinerseits durch Steigerung des Gehalts an normalem Eiweiss im Blut zur Albuminurie in der Weise, wie es kurz vorher (S. 90 f.) auseinandergesetzt worden ist, beigetragen haben. Es scheint aber, als ob die Beimengung von gelöstem Hühner- eiweiss doch noch in anderer Weise zur Albuminurie führen könne, denn Lehmann sowohl, wie Stokvis sahen nach Einspritzung des- selben in das Blut einige Mal eine länger andauernde Albuminurie erfolgen, bei welcher mehr Eiweiss, als eingespritzt war (in einem Versuch von Stokvis sogar 4 mal soviel!) ausgeschieden wurde. Hier muss also durch die Anwesenheit eines fremden Eiweisskörpers im Blut irgend ein Vorgang vielleicht in den Nieren angeregt worden sein, welcher zur Albuminurie im engeren Sinne, nämlich zur Ausschei- dung von gerinnbarem Eiweiss des eigenen Körpers führte. Es erinnert Dies daran, dass Greife öfters Albuminurie ohne Blutbeimengung ein- treten sah bei Kaninchen, denen er Blutserum anderer Thiergattungen ein- gespritzt hatte. Um Dies zu erklären, müsste man annehmen ent- weder, dass die Eiweisskörper dieser Serumarten beim Kaninchen leichter filtriren, als bei den Thieren, welchen sie angehört hatten, oder dass solches fremde Serum tiefere Störungen, welche mit Albu- minurie einhergehen, herbeiführt. Mit Rücksicht auf die gleich zu besprechenden Wirkungen des Serums auf die Blutkörperehen fremder Thiere ist die letztere Annahme die wahrscheinlichere. Wie andere lösliche Eiweisskörper, abgesehen zunächst vom Pepton, wenn sie in das Blut gespritzt werden, wirken, weiss man bislang mit Sicherheit nicht. J. Ghr. Lehmann fand keine Albu- minurie nach Einspritzung von Lieberkühn'schem Natronalbuminat, von gelöstem Syntonin, Myosin und Fibrin, während Runeberg Albu- minurie eintreten sah nach Einspritzung eines Eiweisskörpers, welchen Einfluss der Blutbeschaffenheit auf die Albuminurie. 95 er erhielt, wenn er das durch Essigsäure aus der Milch gefällte Casein in Natron löste, nicht aber, wenn er reine oder mit Natron versetzte Milch einspritzte °^). Jenes besass eine grosse Filtrationsfähigkeit und es wäre die Frage, ob die von Lehmann benutzten Fiweiss- körper vielleicht weniger filtrationsfähig waren, denn die Löslichkeit allein ist für die Filtrationsfähigkeit nicht maassgebend. Die anderen, durch ihre Diffusions- und Filtrationsfähigkeit noch ausgezeichneten Eiweisskörper, welche man kennt, sind das Pepton (wahrscheinlich auch das Propepton) und das Hämoglobin. Mit dem Propepton sind bisher Versuche in dieser Richtung nicht gemacht worden, doch darf man mit Sicherheit annehmen, dass es sich ebenso wie die anderen beiden Körper verhalten wird, welche, gelöst in das Blut gebracht, der Theorie entsprechend, wegen ihrer leichten Filtrir- barkeit leicht ausgeschieden werden. Vom Pepton weiss man, dass es durch Einspritzung oder durch Resorption peptonhaltiger Exsudate (bei Pleuritis, Pneumonie, Rheumarthritis) in das Blut gelangen kann und dass alsdann Peptonurie entsteht. Von der Propeptonurie kann man denselben Ursprung annehmen. Der Blutfarbstoff geht bekanntlich nicht blos durch Einspritzung, sondern auch unter mannigfachen Umständen durch Zerstörung der rothen Zellen im Blute selbst in Lösung. So kommt die Ausscheidung desselben, die Hämoglobinurie (Methämo- globinurie, Hämatinurie) bei verschiedeneu Vergiftungen vor, dann bei gewissen Krankheitszuständen (periodische Hämoglobinurie, schwere Infectionszustände) und wie Creite, Landois, Ponfick gefunden haben, nach Einführung von Blut oder auch nur Blutserum einer fremden Thierart in den Kreislauf ^^). Die Ausscheidung des Hämo- globins scheint aber nicht blos auf dem Wege der Filtration durch die Gefässknäuel, sondern ausserdem noch, wie die anderer Farbstoffe, durch die Epithelien der Harncanälchen in' specifischer Weise zu er- folgen ^s). Dies ist so ziemlich Alles, was man über die Abhängigkeit der Albuminurie von qualitativen Aenderungen der Blutflüssigkeit und insbesondere von Aenderungen der Eiweisskörper mit Sicherheit weiss. Wie man sieht, kommen alle diesbezüglichen Versuchsergebnisse darauf hinaus, dass gelöste Eiweisskörper im Blute auftreten, welche normaler Weise niclit in ihm gelöst sind und dass sie nach Maassgabe ihrer Filtrirbarkeit durch die Niere ausgeschieden werden, wie nach den von uns entwickelten Ansichten über die Filtration in den Knäuel- 96 Einfluss der Blufbeschaflfenlieit auf die Albuminurie. gefässen zu erwarten ist. Da in Folge der besseren Filtrationsfähig- keit von diesen Körpern mehr durch die Knäuelgefässe transsudirt, als von den normalen Eiweisskörpern des Blutes, so werden jene leichter als diese im Harn nachzuweisen sein und darauf beruht hier in der Hauptsache diese Albuminurie. Ausserdem kann, wie es scheint, in Folge der fremdartigen Beimengungen auch noch eine abnorme Ausscheidung des gewöhnlichen Eiweisses veranlasst werden. Man sollte meinen, dass diese Thatsachen schon hinreichten, um die Abhängigkeit mancher Formen der Albuminurie von qualitativen Aenderungen der Blutflüssigkeit und insbesondere ihrer Eiweisskörper wahrscheinlich zu machen. Wenn diese Ansicht gleichwohl in der Neuzeit wenig Anklang gefunden hat, so ist der Grund dafür, genau betrachtet, eigentlich ein ganz äusserlicher und formeller. Man ist nämlich immer noch gewohnt, unter Albuminurie nur die Ausscheidung gerinnbaren Eiweisses aus dem Blut zu verstehen, die Ausscheidung anderer Ei- weisskörper aber, wie schon früher bemerkt wurde, als nicht dazuge- hörig zu betrachten. In diesem Sinne ist die einzige bekannte Albuminurie, welche sicher von einer qualitativen Aenderung des Blutes herrührt, diejenige, welche durch Einführung von Hühnereiweiss hervorgebracht wird, diese aber pflegt man als in klinischer Beziehung ohne Bedeutung anzusehen. Und allerdings weiss man bisher von dieser Albuminurie nur durch das Experiment und nicht durch die klinische Beobachtung. Es wäre ja möglich, dass, was bei einem ge- sunden Menschen oder Thier durch ein Uebermaass von Hühner- eiweiss zu Wege gebracht wird, bei krankem Organismus, namentlich bei abnormer Verdauungsthätigkeit, schon durch einen massigen oder selbst unbedeutendem Genuss entsteht und alsdann hätte diese Ausscheidung von Hühnereiweiss allerdings auch eine klinische Be- deutung, dieselbe Bedeutung, wie etwa der Genuss von Amylaceen für einen Diabetiker leichteren Grades, welcher bei Vermeidung oder nur beschränktem Genuss derselben keinen Zucker ausscheidet und über- haupt nichts Krankhaftes darbietet. Es ist bekannt, dass durch eine sehr reichliche Zufuhr von Zucker und Stärke auch bei Gesunden eine Zuckerausscheidung („Glycosuria alimentaria") entstehen kann und so wenig, wie man sich deswegen abhalten lässt, die sogenannte leichte Form des Diabetes aus der Pathologie zu streichen, ebenso wenig dürfte man jene Ausscheidung von Hühnereiweiss als in pathologi- scher Bez iehung gleichgültig ansehen. Es würde nur darauf ankommen, Einfluss der Blutbeschaffenheit auf die Albuminurie. 97 die Grenze zwischen massiger und übermässiger Zufuhr festzustellen — offenbar eine schwierige Aufgabe, Was nun die anderen Eiweisskörper betrifft, die nicht blos im Experiment, sondern auch unter rein klinischen Verliältnissen bei ver- schiedenen Krankheiten im Urin auftreten, so ist die Abtrennung der Hämoglobinurie von der eigentlichen Albuminurie durchaus gerecht- fertigt, da das Hämoglobin, sowie die daraus hervorgehenden Farbstoffe nicht zu den eigentlichen Eiweisskörpern gehören. Dagegen kann man heutzutage die „Peptonurie" und „Propeptonurie" nicht mehr streng von der „Albuminurie" trennen, zumal da dieselben auch abwechselnd mit der Albuminurie im engeren Sinne und sogar gemischt mit ihr (s. S. 9 ff.) vorkommen. Wenn man sie aber als zur Albuminurie im weiteren Sinne gehörig auffassen muss, so ist eben damit schon zugestanden, dass es Aibuminurieen giebt, welche von qualitativen Veränderungen des ßlut- eiweisses herrühren, denn ich wüsste kaum, welche andere Art von Albuminurie durch solche qualitative Aenderungeu man erwarten sollte, da man sich sonst mit den Bezeichnungen immer im Kreise dreht. Werden gerinnbare Eiweisskörper ausgeschieden, besteht also eine Albuminurie in dem gewöhnlichen engeren Sinne, so wird man die betreffenden Körper immer nur als Serumalbumin, oder als ein Glo- bulin (vom Hühnereiweiss können wir, da dasselbe nur nach Einfüh- rung von aussen erscheint, absehen) betrachten müssen, also keine qualitative Aenderung, keine Modification des Bluteiweisses anzunehmen brauchen. Fehlt aber die Gerinnbarkeit einem sonst als eiweissartig charakterisirten Körper im Urin, ist also eine Modification vorhanden, so trennt man diese als „Peptonurie oder Propeptonurie- und betrachtet sie als etwas Besonderes. Auf diese Weise wird man allerdings kaum jemals eine durch Aenderungen der Blutbeschaffenheit bedingte Albu- minurie beweisen oder wiederlegen können. Denn die Unterschiede, welche man sonst noch hat geltend machen wollen, um Eiweissmodi- ficationen im Urin und demgemäss im Blute nachzuweisen, sind bei der leichten Veränderlichkeit der einzelnen Eiweisskörper von ganz untergeordneter Bedeutung und alle die Versuche, welche namentlich in früheren Jahren angestellt wurden, um durch das verschiedene Ver- halten eiweisshaltiger Harne bei der Diffusion das Vorliandensein krankhaft modificirter Eiweisskörper darzuthun, haben wenig Werth zumal schon durch die wechselnden Mengen der Salze, des Harnstoffs u. dgl. m. die Diffusion der Eiweisskörper verändert wird. U. Senator: Die Albuminurie. / 98 Einfluss der Blutbeschaffenheit auf die Albuminurie. Mehr Werth würde es haben, wenn durch das physiologische Experiment ein Verhalten des im Urin oder im Blut von Albuminuri- schen enthaltenen Eiweisses dargethan werden könnte, wenn also ein solches Eiweiss in das Blut, oder unter die Haut gespritzt, etwa so wie Hühnereiweiss eine Albuminurie hervorzurufen vermöchte. Auch in dieser Beziehung liegt eine allerdings ganz vereinzelt stehende An- gabe von Stokvis vor, deren gelegentlich vorher schon gedacht wurde (s. S. 88). Er fand nämlich ausnahmsweise und abweichend von der grossen Mehrzahl der anderen diesbezüglichen Versuche, dass der ei weissh altige Harn eines Patienten, welcher kein nachweis- bares Nierenleiden hatte, bei einem Hunde und einem Kaninchen Albuminurie hervorrief, welche nach einigen Tagen verschwand. Dass hier irgend ein Versehen oder eine Störung untergelaufen sei, welche dies auffallende Ergebniss sollte verschuldet haben, ist nicht anzu- nehmen, denn Stokvis würde nicht verfehlt haben, diese herauszu- finden, da die beiden Versuche den Schlüssen, zu welchen alle anderen A^ersuche berechtigen, sich nicht fügen und als unerklärte Ausnahmen daneben stehen bleiben müssen. Nichtsdestoweniger wird man gut thun, ihnen vorläufig keine grössere Bedeutung beizulegen und sie nur als einen Fingerzeig für weitere Forschungen in dieser Richtung zu betrachten. Bis dahin, wo etwa eine Bestätigung derselben geliefert werden sollte, wird man die Frage, ob es in Krankheiten eine Modifi- cation der Eiweisskörper giebt, welche eine nicht als Peptonurie oder Propeptonurie zu bezeichnende Albuminurie veranlassen kann, als eine offene zu betrachten haben. Ebenso muss man die Frage, wodurch eine etwaige Modification der Eiweisskörper des Blutes entstehe, ganz offen lassen. Der Mög- lichkeiten giebt es manche, aber zu beweisen ist vorläufig keine, allerdings auch nicht zu widerlegen. Es wäre also möglich, dass, wie es eine bei den Engländern durch Prout besonders beliebt gewordene Vorstellung will, abnorme Verdauungsvorgänge schon ein vom gewöhn- lichen abweichendes Eiweiss in das Blut gelangen lassen, oder dass unter dem Einfluss irgend einer krankhaften Bedingung im Blute und den Säften selbst sich solche Aenderungen vollzögen, wie sie die ältere Krasenlehre allezeit anzunehmen gern bereit war. Da man aber noch keine einzige krankhafte Eiweissmodification im Blute und in den Säften mit Sicherheit kennen gelernt hat, so ist in dieser Be- ziehung, wenn nicht Unglaube, so doch Zurückhaltung geboten. Einfluss der BlutbeschalTenheil auf die Albuminurie. 99 Unter den Aenderungen der Blutbcschaffcnhoit ist eiullich im Gegensatz zu den bisher allein besprochenen chemischen Ab- weichungen auch noch eine physikalische Veränderung des Blutes zu erwähnen, welche vielleicht die Eiweisstranssudation in den Nieren abnormer Weise zur Albuminurie steigern könnte, es ist dies die Zunahme der Temperatur. Wie oben schon angelÜhrt wurde, nimmt die Filtration von Eiweisslösungen mit steigender Temperatur zu, doch ist nicht bekannt, wie sich der Eiweissgehalt des Filtrats zu dem der ursprünglichen Flüssigkeit verhält (vgl. S. 48). Wir müssen uns also be- gnügen damit, auf diesen Punkt, welcher für die Albuminurie in fieber- haften Krankheiten neben Anderem von einer nicht zu verkennenden Wichtigkeit sein könnte, hingewiesen zu haben. — Auch auf einen anderen Punkt, der vielleicht mit dem eben genannten in Zusan)mcn- hang steht, lässt sich bei dem gegenwärtigen Stand unserer Kennt- nisse nur flüchtig hinweisen, nämlich darauf, dass mit Erhöhung der Tem- peratur die Molecularzusammensetzung der Eiweisskörper selbst derartig verändert würde, dass sie leichter als bei normaler Temperatur filtriren. Vermuthungen darüber sind schon von manchen Seiten ausgesprochen worden, irgend etwas Sicheres weiss man nicht, und nach den vor- stehenden Auseinandersetzungen dürfte, wenn eine solche Aenderung unter der Einwirkung höherer Temperatur vor sich ginge, sie für uns erkennbar wieder nur durch die ümwandelung der gerinnbaren Eiweiss- körper in Pepton und Propepton werden. Bisher ist bei der Besprechung des Einflusses der modificirten Blut- beschaffenheit auf die Albuminurie nur auf die Filtrations Vorgänge in den Nieren Rücksicht genommen worden, von dem eigentlichen Secretionsvorgang aber keine Rede gewesen und zwar, weil allem Anschein nach dieser in den meisten Fällen nur mittelbar davon be- rührt wird. Es ist mir nur eine Beobachtung bekannt, welche dafür spricht, dass auch wirkliche Drüsen bei Gegenwart fremder Eiweiss- körper im Blut abnormer Weise Eiweiss austreten lassen und zwar eben diesen fremden Eiweisskörper. Diese Beobachtung, welche eben- falls Stokvis gemacht, besteht darin, dass bei einem kräftigen Hunde, welchem Hühnereiweiss unter die Haut gespritzt war. auch das Paro- tidensecret, welches filtrirt vorher frei von Eiweiss gefunden worden war, einen starken Gehalt von (Hühner-) Eiweiss zeigte. Wenn man aus dieser Beobachtung einen Schluss ziehen wollte, so würde man als wahrscheinlich annehmen können, dass auch bei der Ausscheidung des 100 Besondere Formen krankhafter Albuminurie. Hühnereiweisses in den Nieren sich neben den Knäuelgefässen, für welche die Ausscheidung direct bewiesen ist, auch das interstitielle Gefässsystem mit den Epithelien der Harncanälchen betheiligt. Im Uebrigen kann das System der letzteren, wie gesagt, mittelbar durch krankhafte Veränderungen der Blutbeschaffenheit zur Albumiiiurie bei- tragen dadurch, dass letztere eine Ernährungsstörung und Entartung der Epithelien hervorruft, welche in der früher besprochenen Weise zur Eiweissausscheidung führt. VI. lieber einige besondere Formen krankhafter Albuminurie. In den vorhergehenden Abschnitten haben wir so mannigfaltige Bedingungen kennen gelernt, welche zur Entstehung einer Albuminurie beitragen können, dass wir schon deswegen die Versuche, alle Arten von Albuminurie, denen nicht gröbere Erkrankungen der Nieren zu Grunde liegen, auf eine einzige Ursache, wie es wohl geschehen ist, zurückzuführen, nicht beipflichten können. Wie die Bedingungen, welche hier in Betracht kommen, also die Kreislaufs- und Druck- verhältnisse, die Beschaffenheit der bei der Absonderung betheiligten Membranen, die Blutbeschaffenheit, sich in Krankheiten verhalten, ist uns im Allgemeinen noch zu wenig bekannt, als dass man ihren Ein- fluss in jedem Falle sollte abmessen können. Dann aber beeinflussen sich in den meisten Krankheitszuständen, soviel wissen wir schon mit Bestimmtheit, die einzelnen Bedingungen gegenseitig, so dass es erst recht schwierig ist, jedesmal die gerade wirksame Bedingung, und ganz unmöglich, immer nur eine einzige herauszufinden. Verhältniss- mässig einfach liegen die Verhältnisse nur in wenigen Fällen, die auch im Vorhergehenden an den betreffenden Stellen ihre Besprechung gefunden haben, so namentlich die Albuaiinurie bei venöser Stauung (S. 67ff.), bei Krampfzuständen (S. •iOff.) und allenfalls bei manchen Intoxicationen (S. 52 u. 75). In allen anderen Zuständen sind die Verhältnisse weniger einfach und durchsichtig, so dass man wohl sicher sagen kann, es werde eine oder die andere der im Vorhergehenden be- sprochenen Entstehungsweisen der Albuminurie, oder auch mehrere der- selben vorliegen, aber schon weniger, welche es sei und worin weiterhin Besondere Formen krankhafter Albuminurie. 101 die Bedingungen für diese oder eine andere Entstehungsweise gelegen seien. Das beste Beispiel dafür, wie verschiedene Bedingungen zur Er- zeugung einer Albuminurie zusammenwirken und wie bei einem und demselben Krankheitsprocess die Bedingungen wechseln können, bietet die von Gerhardt zuerst bezeichnete febrile Albumi- nurie^^). Und bei dieser sind wir doch noch in der Lage, wenigstens einzelne Bedingungen mit Bestimmtheit zu kennen. Zu einer voll- ständigen Kenntniss der Vorgänge im Fieber auch nur mit Rücksicht auf die hier in Frage stehenden Verhältnisse fehlt zwar noch viel, aber die neueren Untersuchungen über die Kreislaufs-, Stoff- wechsel- und Ernährungsverhältnisse dabei setzen uns doch schon in den Stand, einige Bedingungen mit Sicherheit, andere mit grösserer oder geringerer Wahrscheinlichkeit zu bezeichnen, welche in ver- schiedenen fieberhaften Krankheiten ohne besonderes Nierenleiden Al- buminurie hervorrufen werden. Was zunächst die Kreislaufsverhält- nisse betrifft, insbesondere den Blutdruck, der ja, wie vorher ausführ- lich entwickelt worden ist, von dem grössten Einfluss auf die Albu- minurie ist, so liegt es auf der Hand, dass derselbe weder in allen fieberhaften Krankheiten, noch auch nur in einer einzigen Krankheit während der ganzen Dauer derselben sich immer gleich bleiben oder immer in demselben Sinne verändern wird. Dies ist aus dem ein- fachen Grunde nicht zu erwarten, weil die Leistungsfähigkeit des Herzens, von welcher der Blutdruck doch in erster Linie abhängt, ver- schieden ist nach der Art und Dauer der Krankheit. Im Allgemeinen wird in denjenigen Fieberzuständen, bei denen die Herzthätigkeit nicht von vorne herein durch eine schwere Infection, eine Vergiftung und dgl. beeinträchtigt ist, der Blutdruck im Anfang gesteigert sein müssen in Folge der mit der Temperatur zunehmenden Schlagzahl des Herzens bei gleicher oder ebenfalls durch die erhöhte Temperatur vielleicht gar nocli gesteigerter Contractionskraft jeder einzelnen Systole. Die wenigen in neuester Zeit von Zadek und Basch bei Fiebernden an- gestellten Druckmessungsversuche haben dies in der That ergeben*'). In dieser Beziehung verhält sich also ein Fiebernder genau so wie ein künstlich erwärmtes Thier, so lange die Zunahme der Körpertemperatur nicht über eine gewisse Grenze hinaus geht und lähmend auf die nervösen Apparate wirkt (s. S. 45). Auch die Ab- nahme der Harnmenge ist aus bekannten Gründen beim Fieber ebenso gewöhnlich, wie bei der künstlichen Erwärmung, so dass wir also die- 102 Besondere Formen krankhafter Albuminurie. jenige febrile Albuminurie, welche bei noch gut erhaltener Herzthätig- keit, kräftigem Pulse u. s. w. zum Vorschein kommt, wohl unbedenk- lich derjenigen, welche durch künstliche Erwärmung hervorgebracht wird, an die Seite setzen können. Die Erhöhung der Körpertempe- ratur ist hier die hauptsächlichste, wenn auch nicht die einzige Be- dingung der Albuminurie, deren nähere Entstehung oben auseinander- gesetzt worden ist. Ganz anders können sich die Verhältnisse im weiteren Verlauf eines Fiebers, oder bei schweren Infections- und In- toxicationszuständen, oder bei schon vorher geschwächten Personen gleich im Beginn des Fiebers gestalten. Hier wird zweifellos der Blutdruck unter die Norm sinken. Auch dadurch kann, wie wir bei Besprechung des Einflusses der Druckverminderung gesehen haben, eine Bedingung für Albuminurie gegeben werden, die aber, da die Druckherabsetzung meist keine so beträchtliche ist, für sich allein vielleicht nicht aus- reichen würde. Aber es kommen eben noch mancherlei andere Mo- mente, welche in demselben Sinne wirken, hinzu und gerade bei schweren mit sinkender Herzthätigkeit einhergehenden Fieberzuständen in stärkerem Grade, als bei anderen, nämlich besonders: die Er- nährungsstörungen der Nierenepithelien und vielleicht auch der Gefässw an düngen. Ihr Vorkommen, ihre wechselnde Intensität je nach der zu Grunde liegenden Krankheit ist bekannt und ihr etwaiger Einfluss auf die Albuminurie ist früher besprochen. Weiter kommt auch die veränderte Blutbeschaffenheit im Fieber in Be- tracht. Wissen wir auch nicht viel davon, so reicht Das gerade, was wir wissen, schon aus zu der Behauptung, dass auch dieses Moment eine gewisse Rolle bei der febrilen Albuminurie spielen kann. Ich verweise hier auf Dasjenige, was oben über den Einfluss des stärkeren Harn- stoff gehaltes im Blut auf die Eiweissfiltration gesagt ist (S. 90 ff.). Die genannten Momente reichen schon mit Sicherheit hin, jede febrile Albuminurie im gewöhnlichen Sinne, bei der es sich nur um die Aus- scheidung gerinnbaren Eiweisses handelt, zu erklären. Aber es ist keineswegs ausgeschlossen, dass die fieberhaften Stoffwechsel Verände- rungen, die Aenderungen in der Beschaffenheit der Blutflüssigkeit, welche ganz unzweifelhaft vorhanden, wenn auch uns unbekannt sind, nicht noch eine Reihe anderer, die Albuminurie begünstigender Mo- mente in sich bergen. Fast mit Nothwendigkeit muss man diese vor- aussetzen in den ebenfalls von Gerhardt als „latente Albuminurie" bezeichneten Fällen, wo nicht durch Hitze gerinnbare Eiweisskörper Besondere Formen kranlchafter Albuminurie. 103 ausgeschieden werden, also in Fällen von Peptonurie oder Propeptouurie, wie sie nicht blos in fieberlosen, sondern auch in fieberhaften Krank- heiten und in diesen oft scheinbar nur unter denn Einfluss des Fie- bers, nicht der besonderen mit Fieber einhergehenden Krankheit auf- treten. Das Wenige, was in dieser Beziehung allenfalls sich aussagen lässt, hat bereits in früheren Abschnitten seine Stelle gefunden (S. 8 u. 99). Leider hat das Gebiet der Thatsachen hier seine engen Grenzen neben dem weiten Feld für Vermuthungen. Man müsste sich vollends ganz auf dieses weite Feld begeben, wenn man für jede Albuminurie, die sonst noch bei irgend welchen krankhaften Störungen vorkommt, ohne dass zugleich die Nieren tiefer ergriffen sind, eine Erklärung geben wollte. Nicht als ob die krank- haften Vorgänge überall für uns so sehr im Dunklen lägen, dass uns jedes Verständniss dafür, wie es dabei zur Albuminurie kommen kann, fehlte. Ganz und gar nicht; wir können noch bei einer oder der an- deren Störung angeben, welcher besondere Umstand dabei wohl die Albuminurie bedingen mag, wir können z. B. für die Albuminurie bei Cholera verantwortlich machen: die starke Eindickung des Blutes, wodurch dasselbe an Eiweiss und kurze Zeit auch an Salzen reicher wird (vgl. S. 90 — 92), die starke Stauung in den Nieren und endlich die Entartung der Epithelien und Gefässwände, welche eintreten muss, wenn den Geweben ein abnorm beschaffenes Blut und in abnormer Verlangsamung zufliesst. Jedes dieser Momente kann für sich allein, wie früher auseinandergesetzt wurde, Albuminurie verursachen, zwei oder alle drei vereinigt, werden sie natürlich um so sicherer bewir- ken. Wir können für die bei Diarrhöen anderer Art nicht selten zu beobachtende vorübergehende Albuminurie, welche neuer- dings die Aufmerksamkeit erregt hat^^), ebenfalls mit einer gewissen Berechtigung die Verminderung des Wassergehalts im Blut und die gewöhnlich dabei noch vorhandene Herabsetzung des Blutdrucks in Anspruch nehmen, aber damit sind auch wohl, abgesehen von den eigentlichen Nierenleiden, die Krankheitszustände erschöpft, bei denen für die Erklärung einer etwa vorhandenen Albuminurie wenigstens einige thatsächliche Anhaltspunkte gegeben sind. Die eigentlichen Nierenkrankheiten nun, die verschiedenen Formen der Nephritis und die Amyloidcntartung, also diejenigen Pro- cesse, bei welchen die Albuminurie so beständig und in so hohem Grade auftritt, dass sie früher ihr einfach gleichgesetzt wurden, diese 104 Besondere Formen krankhafter Albuminurie. bieten natürlich für die Erklärung der Eiweissausscheidung im Ganzen und Grossen wenig Schwierigkeiten und am allerwenigsten die acut entzündlichen Processe. Denn jeder entzündete Gefässbezirk ist abnorm durchgängig und lässt insonderheit eine an Eiweiss (und ausserdem an Zellen) sehr reiche Flüssigkeit austreten. Die Albu- minurie ist deswegen ein selbstverständliches Symptom jeder floriden Entzündung in den Nieren, also der acut beginnenden und -verlaufen- den Nephritiden, wie der acut entzündlichen Exacerbationen bei den chronischen Formen. Wenn sie bei ganz umschriebenen Entzündungen nicht immer beobachtet wird, so liegt das zum Theil wohl daran, dass die Verbindung des entzündeten Bezirks mit den Abflussröhren unterbrochen ist, zum Theil daran, dass die aus dem Bezirk gelieferte Eiweissmenge zu klein ist, um entdeckt zu werden, namentlich, wenn solche umschriebene Entzündungen die Gefässknäuel unberührt lassen. Denn darüber kann man nicht in Zweifel sein, dass die hauptsächlichste und ergiebigste Quelle des Eiweisses immer die Knäuel sind, daher denn auch gerade die acute (diffuse) Nephritis jederzeit den eiweissreich- sten Harn liefert. Bei jeder acuten Nephritis nämlich sind die Knäuel be- theiligt, oder vielmehr sie sind der Ausgangspunkt jeder acuten Nephritis, wie die Untersuchungen von Klebs, Salvioli, Cohnheim, Fried- länder, ßibbert über die Glomerulo-Nephritis gelehrt haben^^). In allen Fällen lässt sich auch die Exsudatablagerung in den Bow- man - Müller'schen Kapseln mit Leichtigkeit nachweisen. Dass daneben aber auch das interstitielle Gefässsystem sich an der Eiweiss- ausscheidung betheiligen kann, muss man deshalb annehmen, weil fast immer auch das interstitielle Gewebe und die Epithelien der Harncanälchen in Mitleidenschaft gezogen sind und zweifellos dabei ein Uebertreten von Eiweiss in das Innere der Canälchen erfolgen kann. Auch die sonstige Beschaffenheit des Harns bei jeder acuten Nephritis lässt sich aus dem anatomischen Befund unschwer be- greifen, insbesondere scheint mir die Abnahme seiner Menge auf das Zusammenwirken mehrerer Bedingungen zurückgeführt werden zu müssen, nämlich erstens darauf, dass die Gefässknäuel einerseits durch das in die Kapseln austretende Exsudat und durch die von der Kapselwand ausgehende Zellwucherung zusammengedrückt werden, andererseits in ihren Wandungen selbst eine Aufquellung und Schwel- lung mit starker Einengung ihrer Lichtung erfahren, sodann auf die Strom verlangsam ung , welche nach Cohnheim in entzündeten Ge- Besondere Formen krankhafter Albuminurie. 105 weben stattfindet, endlich auf dio Verstopfung, welche die in den inter- stitiellen Entzündungsbezirken gelegenen Harncanälchen durch Druck von Aussen und durch die aufquellenden und sich ablösenden Rpi- thelien im Inneren erfahren müssen. Nicht so leicht und einfach sind meiner Meinung nach die Vor- gänge bei denjenigen Nierenaffectionen, welche man in ihrer Gesaramt- heit als „chronische Nephritiden" oder als „chronische Form der Bright'schen Nierenkrankheit" bezeichnet, zu erklären. Es ist hier nicht der Ort, ausführlich auf die in den letzten Jahren so lebhaft erörterte Frage einzugehen, ob alle diejenigen Erkrankungen, welche man unter jener Bezeichnung zusammengefasst hat, ihrer Natur nach zusammengehören und immer auf einem und demselben Process beruhen, oder ob und wie weit sie von einander zu trennen sind. Es ist Dies um so weniger nöthig, als über diejenigen Punkte, auf die es uns hier ankommt, nämlich über das Verhalten des Harns und über den anatomischen Befund in den Nieren keine grosse Meinungs- verschiedenheit herrscht, sondern hauptsächlich über die Entwickelung und die Aufeinanderfolge der Processe und über das Verhältniss der Herzhypertrophie und der Gefässveränderungen überhaupt zu den Nierenleiden. Es wird also wohl allgemein anerkannt zunächst, dass in klinischer Beziehung sich zwei wohlcharakterisirte Typen chroni- schen Nierenleidens aufstellen lassen, nämlich: der eine von vorne- herein mit mehr oder weniger ausgebreiteter Hautwassersucht, auf- fallender Anämie und stark eiweisshaltigem, an morpholischen Bestand- theilen (Cylindern, rothen und weissen Blutzellen, Epithelien) reichen Harn, dessen Menge auf der Höhe des Processes sparsam ist oder höchstens die normale Menge knapp erreicht, ohne nachweisbare üm- fangszunahme des Herzens, der andere von vorneherein ohne Wasser- sucht und überhaupt ohne auffallende Gesundheitsstörung mit einem dünnen, eiweissarmen, klaren, in abnorm grosser Menge abgeson- derten Harn und meist mit linksseitiger Herzhypertrophie einher- gehend. Jeder Arzt, dem auch nur eine massige Erfahrung zur Seite steht, kennt Krankheitsfälle, die nur dem einen, oder nur dem anderen Typus entsprechen, die von Anfang an, ohne dass irgend eine andere Krankheit, ein anderes Stadium vorangegangen, nur in der einen oder nur in der anderen Weise aufgetreten und, allerdings mit Schwankungen in der Intensität der Symptome, Jahre 106 Besondere Formen krankhafter Albuminurie. lang bis zum Tode verlaufen sind.*) Ebenso lassen sich in anatomischer Beziehung aus der grossen Mannigfaltigkeit aller chronischen Nierenleiden zwei typische Formen scharf herausheben: die eine, als „grosse weisse oder bunte Niere" (chronische parenchymatöse, diffuse Nephritis, Weigert's subchronische Nephri- tis etc.) beschriebene und die andere unter dem Namen der „rothen Schrumpfniere" (genuine Nierencirrhose) bekannte, jene, die mehr entzündliche Form mikroskopisch hauptsächlich characterisirt durch Schwellung und Verfettung der Epithelien der Harncanälchen und An- häufung von Rundzellen in den Interstitien (auch wohl in den Mal- pighi' sehen Kapseln), diese mehr indurativer Natur durch Entwick- lung eines derben zellenarmen schrumpfenden Bindegewebes und Ver- ödung der Gefässknäuel. Ich wiederhole, dass dies 2 Formen sind, die sich durch ihren ausgeprägten Typus scharf herausheben, betone aber auch, dass keineswegs alle chronisch erkrankten Nieren genau dem einen oder anderen Typus entsprechen, sondern dass zahlreiche Fälle mitten inne zwischen ihnen stehen, oder zum Theil dem einen, zum Theil dem anderen Typus sich nähern, dass also jene beiden Typen als die äussersten Endglieder einer Reihe betrachtet werden können, in welcher es allmähliche Uebergänge von dem einen End- glied zum anderen giebt. Auch Das will ich noch hervorheben, dass *) Da für die Entwickelung der Herzhypertrophie bei Nierenkrankheiten von manchen Seiten auf die lange Dauer der letzteren, auf die Chronicität ihres Ver- laufs, Gewicht gelegt wird, so bemerke ich ausdrücklich, dass ich wiederholt Fälle des ersten der oben genannten beiden Typen von mehrjähriger Dauer ohne Herzhypertrophie bei ganz guten Ernährungszustand gesehen habe, wenn der Tod eintrat, bevor der oben geschilderte erste Typus sich verändert hatte d. h. bevor es zu der von Anderen, wie auch von mir sogenannten „secundären" Schrumgfung gekommen war, worüber viele Jahre vergehen können. Allerdings war in diesen Fällen nicht der ganze Symptomencomplex ununterbrochen vor- handen, sondern zeitweise die Wasssersucht ganz geschwunden, während die Albuminurie, also doch auch wohl das Nierenleiden fortbestand. Gerade jetzt habe ich auf meiner Abtheilung zum dritten Male einen kräftigen Zimmermann, weicher vor IV4 Jahren zuerst mit den Erscheinungen jenes ersten Typus von Nephritis erkrankte, scheinbar immer wieder gesund wurde und seine Arbeit verrichtete. Nach mehrmonatlicher Behandlung tritt auch jetzt wieder Abnahme der Wassersucht und eine Periode scheinbarer Gesundheit ein. Trotz der langen Dauer ist auch nicht ein einziges Symptom von Herzhypertrophie vor- handen und zur Annahme von Amyloiderkrankung liegt gar kein Grund vor. Andererseits ist es bekannt, dass bei dem zweiten Typus schon mit dem ersten Zeichen eines Nierenleidens gewöhnlich auch eine Herzhypertrophie vor- handen und meistens auch klinisch nachweisbar ist. Besondere Formen krankhafter Albuminurie. 107 der erste Typus auch klinisch allmählich in den zweiten übergehen kann und da wir gewohnt sind, die anatomischen Veränderungen in beiden Fällen als entzündliche zu betrachten, nur diejenigen des ersten Typus als frischere, diejenigen des zweiten als ältere und als aus der ersteren hervorgehend, so kann man sich vorstellen, dass der zweite Typus wenigstens anatomisch ein späteres Stadium des ersten Typus, oder aber eine schleichendere Entwicklungsform vor- stellt. Aber ist das Alles ein Grund, nunmehr, wie in neuester Zeit geschehen, alle Formen als in jeder Beziehung zusammengehörig zu betrachten und die „Einheit der chronischen Nephritis" oder der „Bright' sehen Nierenkrankheit" zu verkünden? Wenn das ein Grund wäre, dann dürfte man auch die „chronische intersti- tielle Pneumonie oder Lungencirrhose" weder klinisch noch anatomisch von anderen „chronischen Pneuraonieen" trennen, denn es verhält sich damit ganz genau so, wie bei den chronischen Nephritiden. Unter der Legion von chronischen Pneumonieen giebt es eine Form, welche sich klinisch so scharf von allen anderen ab- hebt, dass jeder Kundige sofort in ihr die typische Lungencirrhose erkennt, wie sie seit Corrigan's classischer Schilderung noch heute ohne Anstand als besondere Form angesehen wird. Und brauche ich es erst zu sagen, dass es wieder andere „chronische Pneumonieen" giebt, deren Erscheinungsweise so himmelweit verschieden ist von jener, dass kein Kliniker sie jemals zusammenwerfen wird, oder zu sagen, dass zwischen diesen auf den äussersten Flügeln der grossen Reihe chronischer Pneumonieen stehenden typischen Formen unendlich viele Fälle stehen, welche einen ganz allmählichen Uebergang von der einen zur anderen darstellen, so dass Niemand zu bestimmen vermöchte, wo die eigentliche Grenze ist? Und ist es anatomisch etwa anders? Kein Anatom wird Bedenken tragen, eine typische „Lungencirrhose", wie sie sich etwa im Gefolge einer Pleuritis oder Inhalationskrankheit entwickelt, anzuerkennen und von anderen chronischen Entzündungs- formen der Lunge zu trennen unbeschadet der zahlreichen unmerk- lichen Uebergänge, die es von dieser zu jener und umgekehrt giebt und unbeschadet Dessen, dass es eine wirklich reine interstitielle Pneu- monie so wenig giebt, wie eine reine interstitielle Nephritis. AVedcr ist bei der Cirrhose der Lungen, der Nieren oder irgend eines anderen Organes der Krankheitsprocess ausschliesslich auf das interstitielle Gewebe beschränkt, noch ist bei den anderen chronischen Entzün- 108 Besondere Formen krankhafter Albuminurie. düngen lediglich das sogenannte Parenchym betroffen, und das Binde- gewebsgerüst vollständig frei. Bei den Verhältnissen des lebenden Körpers, in welchem doch nicht jedes System von Elementen durch eine undurchdringliche Wand von seinem Nachbarsystem geschieden ist, wäre Das auch schwer zu denken. Nicht einmal welches System der Ausgangspunkt bilde, ist in allen Fällen einer chronischen Pneumonie zu bestimmen, gerade so wenig, wie in vielen Fällen chronischer Nephritis. Was das Beherrschende in dem Krankheits- process ist, was dem Krankheitsbilde das Gepräge giebt, dem er- krankten Organ den anatomischen Stempel aufdrückt, darauf kommt es an. Das aber ist in den typischen Fällen von Cirrhose die Ent- wickelung fibrillären' Bindegewebes, welche durch ihr mächtiges Ueberwiegen und durch ihre Folgen alles Andere in den Hinter- grund drängt, dagegen in den am weitesten von diesem Typus sich entfernenden Fällen das Zurücktreten der Bindegewebsneubil- dung gegenüber der zelligen Infiltration und der parenchymatösen Degeneration der Epithelien. Es ist nicht in erster Linie die läugere Dauer und das langsamere Fortschreiten der Krankheit, was den Typus der Cirrhose zu Wege bringt, denn wie ich schon erwähnt habe, können Jahre vergehen, ohne dass dieser Typus sich ausbildet, während er in anderen Fällen schon nach kurzer Zeit ge- funden wird. Gerade bei den Lungen haben wir besser als an allen anderen Organen Gelegenheit, unter unseren Augen oft binnen wenigen Monaten sich eine vollendete Cirrhose ausbilden zu sehen, wie sie in anderen Fällen chronischer Pneumonie nach Jahren nicht erreicht wird. Es liegt also nicht in dem Wesen jeder chronischen Entzündung, dass sie zur Cirrhose führt, denn es giebt ja z. B. auch sehr chronische Eiterungen, sondern es muss noch etwas Besonderes von vorn herein vorhanden sein, oder im Laufe der Erkrankung hinzukommen, um zur Cirrhose zu führen. Worin dieses Besondere besteht, haben wir hier nicht zu untersuchen. Wie es scheint, ist die Verschiedenartigkeit in dem Verlauf beider Typen nicht allein in der Nierenaffection begründet. Nicht blos, dass die Wassersucht in dem einen Typus so beständig ist, wie in dem anderen selten, so ist auch die Art ihres Auftretens dort so eigen- thümlich, dass die Vermuthung, es sei noch eine Erkrankung der Haut dabei mit im Spiel, nahe gelegt wird. Dass man die Wasserergüsse dabei nicht von der Unterdrückung oder Beschränkung der Harn- Besondere Formen krankhafter Albuminurie. 109 absonderung abhängig machen kann, wie es von manchen Erklärern ge- schehen ist, liegt auf der Hand. Selbst eine gänzliche Stockung des Harnflusses, wie sie durch Verstopfung der Harnwego entstehen kann, hat bekanntlich für sich allein keine Wassersucht zur Folge. Cohn- heim ''"') weist durchaus zutreffend nach, dass auch weder eine Hydräraie, noch einehydrämischePlethoradie Ursache derselben beijenenNierenkrank- heiten sein kann. Vielmehr deuten das verhältnissmässig schnelle Auftreten, die grosse Ausdehnung der Hautwassersucht und ganz besonders ihre Localisation noch auf besondere örtliche Abnor- mitäten hin, welche Cohnheim geneigt ist, in einer entzündlichen Veränderung der Haut bezw. ihrer Gefässe zu suchen. Es fällt in der That schwer, sich ohne eine solche Annahme zu erklären, wieso bei jenem ersten Typus der chronischen Nephritis (und ebenso bei der acuten Nephritis) gerade die Augenlider so gewöhnlich und oft sogar ganz zuerst ödematös werden oder das Scrotum, überhaupt Stellen, für welche das Moment der Schwere nicht maassgebend sein kann*). Wie ganz anders bei der genuineu Nierencirrhose! Auch bei ihr kann eine Periode der Wassersucht eintreten, dann nämlich, wenn das Herz leistungsunfähig wird und sich das typische Bild der- selben verwischt. Es ist bekannt, dass solche Patienten sich als- dann ähnlich, wie Herzkranke im Stadium der Compensationsstörung verhalten, gerade auch in Bezug auf die Wassersucht, welche hier der Hauptsache nach auf Stauung beruht. Daher hier zuerst Oedem der Unterextremitäten und zuerst überhaupt der abhängigen Theile auftritt zugleich mit mehr oder weniger hochgradiger Cyanose, von welcher die Wassersüchtigen jener ersten Categorie Nichts zeigen, wenn nicht etwa noch besondere Veranlassungen dafür hinzutreten. Alle die genannten Verschiedenheiten machen nun das ungleiche Verhalten des Harns in den beiden typischen Formen verständlich. Bei der einen, der grossen weissen (bunten) Niere, ist das Maass- gebende die abnorme Durchlässigkeit aller ihrer Gewebselemente, bedingt durch die Schwellung und Verfettung der Epithelien und die Durchsetzung des Organs mit Rundzellen, von welcher auch die Knäuel und ihre Kapseln nicht ausgenommen sind. In diesem Zu- *) In 2 Fällen von Scharlachwassersucht ohne Albuminurie habe ich das eine Mal nur Oedem des Gesichts, das andere Mal nur Oedem des Gesichts und Scrotums Wochen lang fortbestehen sehen, im letzteren Fall, ohne dass eine an- dere Spur von Wassersucht vorhergegangen wäre. 110 Besondere Formen krankhafter Albuminurie. stand muss der Transsudations- , wie der Secretionsapparat eine stark eiweisshaltige Flüssigkeit liefern, wobei die Schwellung und Entartung der Epithelien, und zwar der Kapseln, Knäuel und Harn- canälchen, welche doch auch für den Eiweissaustritt nicht gleichgültig ist (S. 73), noch nicht in Anschlag gebracht wird. Dass ^abei Blut- und Eiterkörperchen, Epithelien und Cylinder, mögen diese nun aus geronnenem Eiweiss oder aus Epithelien hervorgehen, nicht fehlen werden, liegt auf der Hand. Ebenso ist es einleuchtend, dass die Menge des Harns abnehmen muss in Folge des Drucks, welchen die Zellinfiltration auf die Kapsel und Knäuel, sowie auf die Harncanälchen ausübt und in Folge der mehr oder weniger starken Verstopfung, welche das Innere der Harncanälchen durch die geschwollenen, ent- arteten und sich loslösenden Epithelien erfährt. In dieser Beziehung sind die Verhältnisse ähnlich denjenigen der acuten Nephritis, nur dass bei dieser Alles stürmischer sich entwickelt und dem acut ent- zündlichen Character entsprechend mit stärkerer Hyperämie und stär- keren Blutungen. Solche acute Exacerbationen sind ja auch bei der in Rede stehenden chronischen Form nicht selten, sowie andererseits durch stellenweises Erlöschen des Processes Besserung, wenn auch nicht eine gänzliche Ausheilung zu Stande kommt. Die wechselnde Beschaffenheit des Urins, namentlich die zeitweise Abnahme der mor- photischen Bestandtheile beweisen Dies deutlich. Wir haben es für mehr als wahrscheinlich erklärt, dass gleich- zeitig mit dieser Nephritis auch die Haut eigenthümlich erkrankt und dadurch ödematös wird. Auch hier kann offenbar zeitweise eine Besserung mit Aufsaugung der wässerigen Ergüsse eintreten, welche durch die Nieren entfernt werden um so leichter, wenn der Process in diesen sich gleichzeitig bessert oder zum Stillstand kommt. Aber auch ohnedies würde durch die Aufsaugung grosser Ergüsse ein starker Flüssigkeitsstrom nach den Nieren ziehen und die in denselben be- findlichen Entzündungsproducte beständig ausspülen. Man sieht in der That öfters mit dem Verschwinden der Oedeme den Urin reich- licher werden, ohne dass er seine sonstigen Eigenschaften ändert, d. h. er bleibt trübe, mehr oder weniger blut- und stark eiweisshaltig und mit einem starken Satz morphotischer Elemente. Vielleicht erklärt sich Dies aus dem Fortbestehen des entzündlichen Processes in den Nieren bei Besserung des Zustandes der Haut. Wir möchten also die bei dieser Form von chronischer Nephritis zu einer Besondere Formoii krankhafiei- Albuniinurie. 111 gewissen Zeit eintretende Vermehrung der Harnmenge ansehen als be- {linii,i (Imrli die Aulsaugiing der wassersüchtigen Ergüsse, niciil uni- gekehrt das Verschwinden der letzteren durch die Zunahme der JJiu- rese. Dieser letztere Vorgang findet statt, wenn jene Form den Aus- gang in („secundäre") Schrumpfung nimmt, zu welcher es kommt, wenn die Entwicklung des fibrillären Bindegewebes die Oberhand ge- winnt. Alsdann nähern sich die Verhältnisse immer mehr denjenigen der primären oder genuinen Nierencirrhose. Bei dieser ist nicht die abnorme Durchlässigkeit des Gewebes und der Gefässe im Besonderen das Maassgebende, sondern der erhöhte arterielle Druck. Es ist nicht anzunehmen, dass die in straffes faseriges Bindegewebe eingebetteten und zum grossen Theil selbst schwielig verdickten Gefässe abnorm durchgängig für Eiweiss werden sollten und das Verhalten von narbigem Bindegewebe an anderen Stel- len, z. B. an der Haut bei hydropischen Ergüssen, spricht auch ent- schieden dagegen. Der geringe und überdies auch wechselnde Eiweiss- gehalt, welcher in dem Urin bei Nierencirrhose gefunden wird, muss deshalb, wie mir scheint, von dem gleichzeitigen Bestehen einzelner kleiner entzündlicher Herde, wie sie in dem ersteren Typus überwiegend vorkommen, aber auch hier nicht ganz zu fehlen brauchen, abgeleitet werden. Wo diese fehlen oder zum Alauf gekommen sind, da wird auch die Albuminurie, d. h. die nachweisbare Eiweissausscheidung, verschwinden um so mehr, als ja gleichzeitig die Harnmenge gestei- gert, also der procentische Eiweissgehalt noch mehr herabgedrückt ist. Dass diese, die Steigerung der Harnmenge, die Folge der un- geheuren Druckzunahme ist, welche in den wegsam gebliebenen Ge- fässeu durch den Untergang so vieler anderer und durch die zugleich bestehende Herzhypertrophie eintreten muss, wird wohl allgemein an- erkannt. Ich halte es auch für sicher, dass bei dieser Cirrhose, bei welcher gar nicht selten der grösste Theil der Knäuel untergegangen ist, die Zunahme der Harnmenge zu einem sehr grossen Theil auf einer vermehrten Absonderung der secretorischen Epithelien beruht, von denen gewöhnlich ein grosser Theil noch wohlerhalten ist. Dafür spricht auch die Thatsache, dass solche Nieren die specifischen Harn- bestandtheile (wenigstens den Harnstoff) in einer den Ernährungsver- hältnissen durchaus entsprechenden absoluten, wenn auch procentisch verminderten Menge absondern. Die Epithelien verhalten sich hier. 112 Besondere Formen krankhafter Albuminurie. wie sich alle Drüsenepithelien bei Steigerung des arteriellen Drucks verhalten (vgl. S. 40). Eine Erkrankung der Haut, wie bei dem ersten Typus, oder bei acuter Nephritis, mit Neigung zu Oedemen, ist bei der typischen Cirrhose nicht vorhanden, obgleich hier die Arterien auch jji der Haut nicht selten ähnlich wie in den Nieren verdickt sind^°'). Indess ist diese Gefässerkrankung eben keine, welche zu Oedem Veranlassung giebt. Erst wenn die Leistungsfähigkeit des Herzens abnimmt, treten hier zugleich mit der Abnahme der Harnabsonderung Oedeme und ander- weitige Ergüsse ein. Ich unterlasse nicht zu wiederholen, dass die hier gegebene Schilderung nur den ausgeprägten, an den beiden äussersten Enden stehenden Typen chronischer Nephritis entsprechen und dass un- zählige Fälle vorkommen, in denen der Typus mehr oder weniger verwischt ist. Es wird immer nützlich sein, zur richtigen Beurthei- lung dieser Verhältnisse sich der Analogie mit den chronischen Lungenentzündungen, deren gegenseitige Beziehungen klarer sind, zu erinnern. Was endlich die Amyloidentartung betrifft, so kann ich mich darüber kurz fassen, weil ich über den Einfluss derselben auf die Harnabsonderung wenig Sicheres zu sagen weiss. Mit Anderen nehme ich an, dass die amyloid entarteten Gefässe abnorm durchlässig sind und deshalb die gelösten Eiweisskörper des Blutes leichter als normal austreten lassen. Für diese Durchlässigkeit lässt sich ein bindender Beweis nicht bringen, vielleicht sprechen dafür die hartnäckigen Diarrhoeen, welche bei ausgebreiteter Amyloidentartung des Darms so gewöhnlich sind. Indessen könnten diese ja auch auf mangelhafter Aufsaugung und gesteigerter Peristaltik beruhen. Dass bei der Eiweiss- ausscheidung nicht nur die amyloid entarteten Knäuelgefässe bethei- ligt sind, sondern auch die Epithelien und das interstitielle Gefäss- system, wenn letztere an der Entartung Theil nehmen, halte ich für wahrscheinlich. Mir ist wiederholt in amyloid entarteten Nieren eine starke Eiweissablagerung in den HarncanälcheUj namentlich der Rinde, bei sehr geringer Ausscheidung in den Kapseln aufgefallen. Auch Posner erwähnt diesen Befund beiläufig ^"2^ _ — Uebrigens ist ja be- kanntlich reine Amyloidentartung selten, viel häufiger die Combina- tion mit interstitieller Nephritis, wodurch die Harnabsonderung ent- sprechende Aenderungen erleidet. Litteratiir. 1) J. B. Stokvis, Recherches experimeritales sur les conditions pathogeniques de l'albuminuric. Bruxellcs 1867. 3) Runeberg, Deutsches Archiv f. klin. Med. XXIII. 1879. S. 41. 3) C. Posner, Virchow's Archiv LXXIX. S. 335. 4) Ribbert, Centralblatt f. d. med. Wiss. 1879. S. 836. — Nephritis und Albu- minurie. Bonn 1881. 5) Litten, Centralblatt f. d. med. Wiss. 1880. S. 161. 6) Litten, Frerichs' und Leyden's Zeitschrift f. klin. Med. I. S. 177—178. 7) Cohnheim, Virchow's Archiv 1868. XLL S. 220. 8) Cohnheim, Allgem. Pathol. Berlin. IL 1880. S. 315. 9) R. 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Mai 12. 102) Posner, L c. S. 323. Anm. Erklärung der Tafel. Schnitt durch Kaninchennieren nach Erhärtung durch Kochen und Älcohol- Picrocarminfärbung. In der Zeichnung ist die rothe Färbung weggelassen. Fig. 1. Nach 10 Minuten langer Venenunterbindung, a. Eiweissablage- rung in den Harncanälchen des Marks. Fig. 2. Nach 1 3 Minuten langer Ureterunterbindung. a. Ausgedehnte mit geronnenem Eiweiss erfüllte Lymphräume zwischen den stark erweiterten Harncanälchen. b. OedematöseAdventitia einer Arterie. Oedmckt bei L. Schumacher in Berlin, 3);o. <^xu>^ d^l. cJVUo. c)